Überaschungsgeschenk
Das ist eine ganz besondere Klasse an Aufträgen: Wir nähen ein Outfit komplett fertig, als Überraschungsgeschenk. Und man mag über die Herren der Schöpfung sagen was man will: Es hat erst eine Dame ihrem Gatten einen Anzug schneidern lassen ohne dessen Wissen.
In diesem Fall war das Outfit nicht nur eine Überraschung, sondern auch etwas sehr Ausgefallenes. Ein Strapsgürtel, der aber auch am Oberschenkel nochmals Halt findet und dazu ein Bolerojäckchen, dass dafür sorgt, dass die Trägerin, den Kopf immer hübsch hoch trägt. Außerdem kann man an den Ärmeln des Boleros gleich noch die Opera-langen Handschuhe „anstrapsen“ – damit ist dem Rutschen auch Einhalt geboten. Und falls die Dame auf den BH verzichten möchte, ihre Brust aber dennoch „getragen“ wissen will, schnallt man die unter der Brust verlaufenden Bänder einfach dementsprechend eng.
Für mich ist das ein „perfekter“ Auftrag: Ich darf etwas erschaffen, von dem ich weiß, dass es später ein Instrument im Orchester vielfältiger Freude sein wird. Ich darf meinen Kunden ein bisschen „ins Köpfchen schauen“ – Erotik, Spannung, Leidenschaft: es gibt soviele verschiedene Ideen, Vorstellungen und Wünsche, die einem da begegnen können. Und ich setze mich mit einem Kleidungsstück auseinander, dass mich tatsächlich vor technische Herausforderungen stellt. Hat so was von „Überraschungsei“: Spiel – Spaß – Spannung 😉
Ich mache dann zumeist einen Erstversuch aus Papier. Papier ist zwar viel zu steif und reißt auch zu schnell. Für einen ersten Eindruck, eine Idee, wie es funktionieren könnte, ist es jedoch noch immer das einfachste Material. Beim Bolerojäckchen hatte ich Glück. Ich habe den oberen Schnittteil unserer „aufrechten Braut“ geklaut. Da gab es schon den Raglanarm mit dem angeschnittenen Halskorsett. Ich erinnere mich noch, dass ich bei der Braut ziemlich geflucht habe, bis der Ausschnitt über der Brust gut an lag.
Über 20 Stunden steckten zum Schluss in dem Zweiteiler aus schwarzem Seidensatin.
Wer jetzt denkt: wie kann denn so etwas „kleines“ so lange dauern, der möge daran denken, dass es gerade durch die Kleinteiligkeit der Formen schwierig wurde. Die „Bullaugen“ am Strapsgürtel zu verstürzen war kein Zuckerschlecken…
Doch final waren wir zufrieden und der großzügige Kunde genauso wie die beschenkte Gattin. Und einmal davon abgesehen, dass eine prompt bezahlte Rechnung eine wunderbare Form der Wertschätzung ist, war der strahlende Blick der Trägerin, als ich es einmal „live“ sehen durfte unbezahlbar 🙂