Korsett – schon lang nicht mehr gehabt
Es gab eine Zeit, da haben wir gefühlt ein Korsett nach dem anderen genäht. Inzwischen ist das doch eine Besonderheit, wenn nach Planchettenverschluss und V2A-Stangen gefragt wird.
Umso mehr freute ich mich, als Anfang Mai eine Anfrage für ein Korsett eintrudelte.
Gut zweierlei muss ich zugeben:
1.) Wenn ich keine Zeit mehr habe mich in der Szene rum zu treiben, ist es kein Wunder, wenn wir weniger Aufträge im Fetischbereich bekommen und
2.) Annette wollte gar kein „ganz richtiges“ Korsett.
Ein „richtiges“ Korsett soll vor allem die Taille reduzieren. Daher arbeitet man das Korsett bis zu 15cm enger, als die Taille der Trägerin von Natur aus ist. Man legt das Korsett im lose eingefädelten Zustand um den Torso, schließt vorne die Planchette und dann zieht man mit ordentlich Schmackes die Schürbänder so weit wie gewünscht. Wahlweise hat man hierfür eine Anziehilfe, oder man hängt die Schlaufen über eine Klinke und läuft einfach von der Tür weg. Das zieht sich dann schon zusammen. 🙂
Nun Annette wünschte sich zwar ein Korsett in punkto Verschluss, Stahlstäben und Passform um Oberweite und Po, aber gerade in der Taille sollte es lediglich anliegend sein, nicht beengend. Zudem favorisierte sie ein Lösung ganz ohne Rückenschnürung. Denn das ist dann doch immer irgendwie ein Gefrette. Und wenn man es nicht nutzen möchte, ist es auch überflüssig.
Gesagt, getan, es wurde also ein Korsett ohne Schnürung. Dafür gab es ein paar andere „Extras“:
Annette hatte ein Korsett gesehen, dass nicht aus den üblichen acht oder zehn Schnitteilen bestand, sondern aus ganzen 18 Einzelteilen. Die einzelnen Teile sind also etwa fünf Zentimeter breite Streifen, die zur Taille hin schmäler und zum Saum hin wieder breiter werden. Was bei so einem Entwurf natürlich toll ist: Man kann die Körperform ganz „sanft“ einbauen. Ich habe schließlich 16 Nähte, die ich formen kann.
Dann war es ein Wunsch von Annette, das Korsett so zu gestalten, dass es im Fall des Falles „mitwachsen“ kann. Hier gibt es zwar gewissen Grenzen, aber wir konnten ihr das Stück so fertigen, dass es auch für eine Annette mit zehn bis zwölf Kilo mehr auf den Rippen noch angepasst werden kann.
Korsetts mit Trägern sind eher selten. Alleine schon, weil hier wirklich Maßarbeit gefragt ist. Der Buse einer jeder Frau ist einfach auf unterschiedlicher Höhe befindlich, was einen empfindlichen Einfluss auf die Trägerlänge hat. Die Träger sollten aber nicht ein schmaler Streifen sein, sondern leicht geschwungen, wie man es Dirndl oft haben. Damit wären wir bei der nächsten Herausforderung: So ein breiter Träger ist auch von der Haltung der Trägerin abhängig. Um so aufrechter sie steht, desto gerader kann der Träger angeschnitten sein. Lässt die Trägerin die Schultern nach vorne fallen, muss der Träger stärker nach außen geschnitten sein, da er unter der Achsel kürzer sein muss.
Ach ja, dann kommt noch die Bequemlichkeit dazu: Ein breiter Träger verbirgt zwar hervorragend diese nicht so gut vom Herrgott gelöste Stelle zwischen Achsel und Busen (da quillt schon mal unschön die Haut über), sorgt aber bei zuviel Breite schlichtweg für wunde Haut.
Genau diese Trägerherausforderung kostete uns dann auch das meiste Fingerspitzengefühl. Doch Ende gut, alles gut! Inzwischen sind Annette und wir zufrieden mit unserem Werk 🙂
Witzig war noch die Stoffwahl. Annette beschrieb mir, dass sie am liebsten ein Material im Wet-Look hätte. Jessas! Das war ne ganze Zeit hoch modern, ist aber zum einen schon „durch“ und zum anderen gab es diesen Look so gut wie nie in zufriedenstellender Qualität. Ich war also erst mal innerlich ein bisschen „Oh Gott, oh Gott! Wo nehm ich das denn nun her?!?“ Da fiel mir ein Stoff ein, den ich vor Jaaahren mal für ein ganz süßes Outfit benutzt hatte und von dem noch genug da sein musste. Und tatsächlich! Annette war sofort begeistert. Puh! Kuh vom Eis 🙂
Damit das Outfit komplett ist, haben wir dann auch noch ein passendes Halsband gefertigt.
Hach! Hat richtig Freude gemacht! Und viel Lust, mal endlich wieder auf eine schöne Fetisch-Party zu gehen. Habe eben im Zuge der „Eigenrecherche“ das Video der ersten PROVOQUE Modenschau angeguckt… Erinnerungen! Das waren coole Nächte!