Die großen Schweiger und Ihre geheimen Wünsche
Nachdem ich Anfang August mit der Überschrift „Das Alice-Schwarzer-Syndrom“, den Damen mit ihrem eigentümlichen (Balz-)Verhalten und Ihrer… ja fast schon Doppelmoral, zu Leibe gerückt bin, wurden natürlich Stimmen laut, was denn mit den Herren sei.
Also habe ich mich am Freitag hingesetzt und einen flammenden Artikel getippt. Mit dem Ergebnis: 1.) ein halber Roman 2.) Vermischung einiger Punkte –> 3.) Da versteht man(n) überhaupt nicht, worum es mir geht.
Also, mach ich doch jetzt ne schicke „Trilogie“ zu dem Thema auf. 🙂
Das Thema, was dem „Alice-Scharzer-Syndrom“ am ehesten als Pendant entspricht:
Die großen Schweiger und Ihre geheimen Wünsche
Eine wunderschöne Beispielgeschichte ereignete sich vor etwa zwei Monaten. Ich hatte sämtliche meiner Kontakte darüber informiert, dass wir am 11. Sept. 2010 eine Modenschau machen würden und zwar nicht irgendwo, sondern in einem BDSM und Fetisch Club. Ziemlich bald bekam ich Feedback eines Herren, dass er das ja sooo toll fände und auch äußerst interessiert wäre (nicht nur wegen der Show, sondern auch wegen der Möglichkeit mal „so ne Location“ besuchen zu können), er aber das unmöglich seiner Freundin vorschlagen könne, weil die ihn sicher für völlig verrückt erklären, vor die Füße kotzen oder spätestens an der Tür der Location kehrt machen würde.
Daraufhin riet ich ihm es überhaupt erstmal zu versuchen und wies ihn darauf hin, dass es wohl auch stark von der Art und Wortwahl des Vorschlags abhängen würde.
Am anderen Morgen hatte ich eine Mail in meiner Box, die da lautete: „Was soll ich sagen…? Sie ist von Deinen Sachen begeistert und will, dass wir uns die Show unbedingt ansehen!“
Aha!
Wie hat er das Kunststück wohl vollbracht?
Es ist anzunehmen, dass er es nicht mit den Worten: „Schatz, da ist so ne Veranstaltung in nem… äh… naja… in so nem Club… Du weißt schon, wo man auch… naja… – aber ich will da ja NUR wegen des kulturellen Aspektes hin!!!“ versucht hat. Solche Sätze transportieren doch dem Gegenüber: „Da ist zwar was, was ich gern mal sehen würde, aber ich denke, dass ist böse/gesellschaftlich verpönt. Außerdem fühle ich mich jetzt schon schlecht/schmutzig, weil ich das überhaupt ausspreche“ – äh, ja – Wenn mir jemand sagt: „Du, lass uns was machen, bei dem ich ein schlechtes Gefühl habe“ – würde ich auch nein sagen 🙂
Also denke ich, wird er seiner Freundin erstmal gezeigt haben, was Spitz Maßdesign und Provoqué so an Garderobe macht. (Mir ist noch keine Frau begegnet, der unsere Sachen nicht gefallen hätten ;-)) Über die Provoqué und den „phantasievollen Teil“ unserer Arbeit, bekommt man doch ganz gut die Kurve zum erotischen Aspekt und dass dann so eine Show in nem dementsprechenden Club stattfindet, ist doch nur noch folgerichtig. Damit wird die ganze Sache greifbar, rund und „normal“ – keine Unsicherheit, keine Angst, kein nein.
Aber warum haltet Ihr Männer so gerne damit hinter dem Berg, was Euch gefällt? Warum ist es für Euch so hart, der Liebsten zu sagen: „Hey, könntest Du für mich heute die hohen Stiefel anziehen und Strapse?“ – Ich habe noch nie mitbekommen, dass sich eine Frau scheut zu sagen: „Zieh doch dies und jenes an, das gefällt mir so an Dir!“
Wer jetzt einwenden will, dass die Schuhe und Strapse einen erotischen Hintergrund haben und eventuell einen gewissen sexuellen Kick liefern… ja hallo?!? Glauben die Herren ernsthaft, wir haben keine lustvollen Gedanken, wenn unsere Kerle was tragen, was uns an Ihnen gefällt? Warum sehen soviele Frauen Männer so gerne in Anzug/Uniform??? Nur weil’s „adrett“ aussieht???
Oft höre ich dann auch: „Na, das ist halt so schwer! Wenn ich n Mädel kennen lerne, ich kann der doch nicht sofort aufs Butterbrot schmieren, dass ich total auf xyz abfahre!“ Okay, die Gesprächseröffnung „Hallo, meine Name ist … und ich stehe auf Latex“ führt in den meisten Fällen zu Irritation. Aber weniger durch den Inhalt, als durch das Timing 😉
Was geschieht denn, wenn ein Mensch (und das gilt hier für die Damen genauso, wie für die Herren) nicht sagt, was ihn triggert? Ja, die Chancen stehen schlecht, dass er in diesem Punkt jemals glücklich sein wird. Doch noch viel „schlimmer“:
Doch es schwärt in ihm. Er guckt anderen Frauen auf der Straße nach, die in hohen Pumps zufällig des Weges kommen. Nach einiger Zeit wird er sich dafür genieren – er wird das Gefühl entwickeln, dass er seine Freundin ein Stück weit hintergeht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zu diesem Zeitpunkt plötzlich den Mut entwickelt über seine Wünsche zu sprechen ist übrigens ungleich niedriger, denn inzwischen fühlt er sich ja bereits auf mehreren Ebenen schlecht damit.
Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein stückweiser Rückzug gegenüber der Freundin stattfindet, zunehmend.
Doch der Wunsch nach hohen roten Lackpumps vergeht nicht. Er fängt an Schaufensterauslagen von Schuhgeschäften zu sichten, nach einiger Zeit zieht es ihn in die Schuhgeschäfte und er guckt verstohlen durch die Damenabteilung – „er suche etwas für seine Freundin“. Heimliches wie zärtliches Berühren der Objekte im Regal… dann irgendwann der Gang zum „Fachgeschäft“ und das erste Paar für ihn selbst. – Wenn er es schon nicht an seiner Freundin sieht (falls es die in diesem Moment überhaupt noch gibt. Der für sie unerklärliche Rückzug zermürbt.), will er es wenigstens selbst tragen.
Monate, vielleicht auch Jahre später hat er eine Sammlung von rund 30 Paar roter, schwarzer, niedriger, mittlerer und hoher Lack- und Lederpumps, die ihm einsame Stunden versüßt.
Und dann trifft er eine neue Frau… und jetzt muss er 30 Paar Pumps in Größe 46 erklären – oder schweigen.
Verstanden?
Jungens, sagt uns einfach, was ihr wollt.
Nicht mit den Worten „Ähm, Du, da ist was – also das ist jetzt nicht so schlimm, wie es sich anhört…“. Das klingt verunsichert und damit verunsichert ihr auch uns, sondern sagt einfach „Hey, ich finde es total klasse, wenn…“ – wir können damit umgehen. Wir freuen uns über diese Informationen!
Und die zwei Damen, die damit nicht umgehen können, die waren es nicht wert.
Vielen Dank an Michael Bernert für sein Foto „high heels“ – mehr von ihm findet sich unter https://www.fotocommunity.de/pc/pc/mypics/455629