Ekelig und explizit
Es war der literarische Skandal der Saison – und der Erfolg des Jahres. Als die frühere Viva – Moderatorin Charlotte Roche 2008 ihren Debütroman „ Feuchtgebiete“ veröffentlichte, löste er eine Literaturkontroverse aus: Ein Teil der Kritiker rühmte das Buch für seine Schonungslosigkeit und den Mut zur Ehrlichkeit. Es machte Front gegen die allgegenwärtige kapitalistische Zurichtung der Frauen zum makellosen, auf die Begehren der Männer und des Marktes ausgerichteten Objekt, schrieb etwa die „taz“. Diejenigen, die anderer Meinung waren, wendeten sich angeekelt ab.
Die vornehmlich jüngere Leserschaft störte die Literaturdebatte kaum – sie machte das Buch mit über 2,5 Millionen verkauften Exemplaren zum ersten deutschsprachigen Megasellers des Jahrtausends.
Die Produktionsfirma Majestic brachte die Verfilmung von Roches Roman am 22. August in die deutschen Kinos. Regisseur ist David Wnendt, der im vergangenen Jahr mit dem in der Neonazi – Szene angesiedelten Spielfilm „Kriegerin“ sein erfolgreiches Debüt feierte.
Die Hauptrolle spielt eine kaum bekannte 28- jährige Schweizerin Carla Juri, die in diesem Jahr als Berlinale Shootings – Star gefeiert wurde.
Wie das Buch auch handelt der Film „ Feuchtgebeite“ von der 18-jährigen Hygiene – Verweigerin Helen Memel, die wegen einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus liegt und dort über ihre sexuellen Erfahrungen und Körperhygiene nachdenkt. Vor allem spricht sie darüber, was sie an Schleim, Eiter, Menstruationsblut und Kot fasziniert. Darin verwoben ist die traurige Familiengeschichte ihrer geschiedenen Eltern.
Regisseur Wnendt setzte das Porträt der 18- jährigen Helen mit sehr viel Feingefühl um. Ihre Obsession für diverse Körperflüssigkeiten wird begreifbar als Flucht vor der Angst, von der Umwelt nicht wahrgenommen zu werden, vor dem Schmerz des Alleinsein.
Beim Filmfestival von Locarno gab es für den Film vom Großteil des Publikums starken Beifall. Bei einer international besetzten Pressekonferenz zum Film gab es allerdings auch einige wenige Stimmen, die Roman und Film pauschal als ekelhaft klassifizierten. Roches Kommentar dazu war: „Vor Jahrzehnten haben Frauen öffentlich ihre Büstenhalter verbrannt um die Emanzipation voranzutreiben. Das muss man leider immer mal wiederholen.“