Die Ballettentwicklung im 18. Und 19. Jahrhundert – Teil 2
In diesem Teil möchte ich näher auf die Ursachen und Folgen des Traditionsbruchs und dem Spitzentanz an sich eingehen.
Um diese besser verdeutlichen zu können habe ich „La Danse“ eine Dekorationsplastik ausgewählt.
„La Danse“ ist eine Dekorationsplastik an der Fassade der Pariser Oper, entworfen von Jean Baptiste Carpeaux (1827-1875). Enthüllt wurde sie am 26. Juli 1869. Seit 1986 steht sie im Musée d’Orsay.
Dieses Werk ist aufgrund seiner inhaltlichen Figur prägend für die Ziele der Romantik. Carpeaux zeigt neben der männlichen Figur auch eine weibliche Zentralfigur. Beide wurden nackt dargestellt und stehen völlig gleichberechtigt nebeneinander. Carpeaux beschreibt in seinem Werk einen Reigentanz und wie die Tänzerinnen um den Mann tanzen. Für die Romantik ist dieses Werk deshalb so prägend, da der Reigentanz wieder populär wird. Zunächst wollten die Privilegierten davon absagen, da die Tanzart dem einfacheren Volk zugesagt wurde, konnten sich jedoch nicht durchsetzen.
Somit wird dieser wieder Bestandteil des Bewegungsrepertoires im Ballett des 19. Jahrhunderts, wie z.B. in „Giselle“ und „Pas de quatre“.
Die Reigen zählen zu der ältesten Form des Gesellschaftstanzes.
Ebenso wie in Carpeaux‘ Werk wird das Thema in dem Ballett „Sylvia“ 1876, wieder aufgegriffen. Verführerische Frauen tanzen um einen Mann herum. Die männliche Rolle spielt auf einmal keine zentrale Rolle mehr und hat einen rein kompositorischen Stellenwert. Die Frauen stellen nur den männlichen Körper in den Mittelpunkt und nicht den Mann an sich.
Oder auch in „Giselle“, die männliche Hauptrolle ist verdammt bis zu seinem Tod vor den weiblichen Willis zu tanzen, was nach dem Ballett zu einem der romantischen Merkmale wurde. Früher war nicht mal daran zu denken Frauenrollen über die der männlichen zu stellen.
Auslöser hierfür war nicht die Emanzipation der Frau, vielmehr war es dass immer mehr Männer mit dem damaligen Schönheitsideal der Romantik verbundenen Frauen auf der Bühne sehen wollten.
Gautier schreibt in seinem Vorwort zu Mademoiselle Maupin:
„Die Frau als Symbol moralischer und physischer Schönheit, war legitim den voyeuristischen Blicken ausgesetzt“.
Die wohl wichtigste und revolutionärste Neuerung des Balletts, ist der Spitzentanz.
Mit seinem Durchbruch 1832 zählt Marie Taglioni zu der romantischen Vertreterin des Spitzentanzes. Trotzdem ist nicht ganz bewiesen wer die erste Vertreterin des Tanzes war, da oft schon zuvor die Sprache von „sur la pointe“ war. Jedoch muss man beachten, dass dieser Ausdruck noch vor dem Spitzentanz, „das tanzen auf halber Spitze“ bedeutete.
Die Erweiterung im Ballett, hatte damals nicht nur rein technische Gründe. Es sollte in der Zeit der Romantik ein Lebensgefühl darstellen wie: Liebe, Leidenschaft, Diesseits- und Jenseitsvorstellung und das Symbol für übersinnliche Wesen. Ziel war es den Realismus zu idealisieren. Daraus ergibt sich eine Umsetzung und eine Konsequenz durch das Schaffen von weiblichen Geschöpfen wie die der Sylphiden.
Trotzdem sei zu beachten, dass der Spitzentanz keineswegs eine plötzliche Erscheinung der Romantik ist, obwohl er dort seinen Durchbruch hatte. Die Entwicklung reicht bis in die Renaissance zurück und wird seitdem im Tanz verbreitet. Hier finden wir auch den Grund für die radikale Trennung von Bühnen- und Gesellschaftstanz.
Man strebte im Tanz nach Leichtigkeit und Grazilität, womit auch der Tanzstil an sich grundlegende Veränderungen vorfand. Das Tanzen auf der Spitze „sur la pointe“, wurde zugunsten ihrer Bedeutung, die Loslösung von der Erde, stark zurückgenommen. Dadurch wird erreicht, dass der Zuschauer das Gefühl bekommt, als würde die Tänzerin über die Bühne schweben. Die Balance wird hierbei durch den Oberkörper gehalten. Dieser gleicht durch die Bewegung der Arme das Gleichgewicht wieder aus. Die große Schwierigkeit dabei ist jedoch diesen Ausgleich für den Zuschauer nicht sichtbar zu machen. Die Tänzerin soll wie eine elfenähnliche Figur über die Bühne schweben, die die Schwerkraft der Sterblichen überwindet.
Durch den Spitzentanz fokussierte man sich immer mehr auf das Bein bzw. den Fuß, was weite Bögen nach sich schlug. So auch in anderen Bereichen der Kunst wie z.B. in der bildenden Kunst: Felicie de Faveau schlug den Fuß von Elßler 1847 in Marmor.
Fanny Elßler hatte ihren Durchbruch am 1. Juli 1836 bei der Uraufführung in Paris in der Rolle der „Florinda“ in dem Stück „Le diable boiteux“. Elßler zählt mit der Taglioni zu den wichtigsten Vertreterinnen des Spitzentanzes.
Im Allgemeinen wird durch die romantische Entwicklung des Balletts, wie dem Spitzentanz und die der Maschinerien, eine Art Rebellion gegen den Formalismus des Klassizismus angesehen.