Die Ballettentwicklung im 18. und 19. Jahrhundert – Teil 1
Blickt man auf die Ballettentwicklung Anfang des 18. Jahrhunderts und Ende des 19. Jahrhunderts, so wird man feststellen verlief diese sehr stockend. Hauptgrund für die Stagnation war die französische Revolution, die dazu führte das viele Produktionen eingestellt oder gar nicht erst ausgeführt wurden. Trotzdem gab es eine kleine Blütezeit des Balletts zwischen 1830 und 1870, die Ära des zweiten Kaiserreichs, die für unsere Ballettgeschichte prägend war. In dieser war der Geschmack des Publikums, bestehend aus Mittelklasse und gehobenem Bürgertum, zunehmend am Hedonismus orientiert. Théophile Gautier, einer der bedeutendsten Schriftsteller, Tanz- und Theaterkritiker, schrieb hierzu 1834:
„Als der einzige Zweck, als die einzige nützliche Sache der Welt erscheint mir das Vergnügen. […]“
Die Menschen gingen ins Theater um den Alltagsproblemen zu entfliehen. Das zentrale Thema und das höchste streben im romantischen Ballett war die Flucht vor der Realität und die Hinwendung zur Bühnenwelt. Die Tänzer wurden nun nicht mehr als Sterbliche, sondern als übersinnliche Wesen angesehen. Auch gab es einen allgemeinen Aufschwung durch die technische Entwicklung auf der Bühne, wie die Neuerungen der Effekte oder der Illusionen. Trotzdem gibt es eine Entwicklung die für die Ballettentwicklung bahnbrechend war. In den dreißiger Jahren erhielt die Frau eine immer wichtigere Rolle.
Vor allem aber kam es zu einer romantischen Verherrlichung der Frau indem man von ihnen sprach, als seien sie Liebesgöttinnen die leicht und luftig über die Bühne schweben. Die wichtigsten Vertreterinnen der Zeit waren Marie Taglioni und Fanny Elßler. Die zwei Tänzerinnen bildeten den Höhepunkt dieser Mystifizierung des Publikums und trieben diesen an bis zu einer Art Glorifizierung. Trend war die Identifizierung einer Titelrolle mit der Persönlichkeit einer Tänzerin. Z.B.: wurde und wird bis heute noch Carlotta Grisi mit der Rolle der Giselle, Fanny Elßler mit der Rolle der Venus in Verbindung gebracht. Das Ballett an sich rückt immer mehr in den Hintergrund, die Interpretin steht nun im Fokus und wird somit zum Inhalt eines Balletts. Silja Mareke Weißer vermutet in ihrem Buch „Der Tanz als Darstellungsproblem der Skulptur im 19. Jahrhundert“, dass die Erhebung der Tänzerinnen zu einer Starrolle viel mit der sozialen Missachtung der Tänzer im Allgemeinen zu tun hat und ablenken soll, da der Beruf bis dahin noch kein anerkannter war.
Den Ursprung des romantischen Balletts und die Entstehung der meisten romantischen Ballettwerke haben wir Frankreich zu bedanken. Bis heute gehört das Land zur führenden Position. Hier beginnt eine der wichtigsten Veränderungen im Ballett: Die Entwicklung des Spitzentanzes und somit einhergehend die Veränderung der Tänzerinnendarstellung. Auch die Kleidung wird zugunsten der Beinarbeit geändert. Das zuvor getragene antike Gewand wird durch einen kurzen Gazerock auch genannt Tutu, ersetzt. Dieses wurde radikal gekürzt und reicht bis zur Wade, um eben die Beinarbeit zu sehen.
Dies bewirkte bei den Männern eine große erotische Wirkung, was an der Mode der dreißiger Jahre lag. Frauen trugen in der Öffentlichkeit hochgeschlossene Kleidung und die Rocklänge reichte bis zu den Knöcheln. Den Durchbruch des Tutus darf man wohl Marie Taglioni verdanken. Diese trug das aller Erste, entworfen von dem Maler Eugéne Lamy, in der Titelrolle La Sylphide am 12. März 1832.
Allgemein war das Schönheitsideal der Frau möglichst grazil und zerbrechlich zu wirken. Der Körper soll Empfindsamkeit und Anfälligkeit ausstrahlen. Schön war, wer blasse Haut besaß. Frauen im Tutu standen für ein Ideal und waren das Symbol der Weiblichkeit.
Als Konsequenz dieser Vorbilder, wurden die Grundvoraussetzungen einer Ballerina geschaffen, die bis heute noch gelten. Die Tänzerin muss einen idealgebauten und perfekt trainierten Körper haben. Verglichen wurde in der Zeit der Romantik mit den antiken Skulpturen, denn ein Tänzer musste seine Darstellung so präzise beherrschen, dass der Tanz als bewegte Skulptur dargestellt werden konnte. Zudem sollte man Gelassenheit und Ruhe ausstrahlen.
Gautiers Schönheitsauffassung einer Tänzerin beschreibt er wie folgt:
„Die Ruhe als ein Grundbestandteil der Schönheit“.
Das Ballett verlor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert in Europa wieder an Stellenwert als angesehen Kunst. Der Grund war die übermäßige Technisierung des Tanzes. Es war zum Stereotyp geworden und diente nur noch dazu, dass die Aristokraten in den Pausen mit den Tänzerinnen in Kontakt treten konnten.