Die Ästhetik des Schreibens
Ich „durfte“ ganze Schulhefte voller Schönschreibübungen machen. Mein Vater hatte in der Meisterschule für Maler und Lackierer noch fix den „Schriftenmeister“ mit erworben und daher ein sehr starkes Interesse daran, dass die Tochter eine ordentliche Handschrift bekommt. Immerhin, wenn ich will kann es jeder lesen und es wird sogar als „schöne Schrift“ gelobt.
Als wir jedoch im Quartiersbüro unser monatliches Treffen des Einzelhändler Zusammenschlusses „Leben findet Altstadt“ hatten und eine schöne Schrift gesucht wurde, reichte mein Gestopsel lange nicht aus. Denn Ute Schiegel von der Galerie Hinz & Kunst in der Schiffstraße hatte eine wunderschöne Idee zur gemeinsamen Schaufenstergestaltung anlässlich des Poetenfestes: Jeder Laden sucht sich einen literarischen Spruch, der auch einen Bezug zu ihm beinhaltet. Diese Sprüche sollten dann mit Acrylkreide auf die Schaufenster geschrieben werden. Und das natürlich richtig schööön.
Wie gesagt, für so eine Aktion reichen meine Fähigkeiten bei weiten nicht aus. Doch manchmal genügt es, jemanden zu kennen, der etwas kann. In diesem Fall ist es Hannah Rabenstein. Die fröhliche Nürnbergerin hat an der OHM Design mit Schwerpunkten Grafik und Typographie studiert. Hannah erzählte mir, dass sie schon immer viel gezeichnet und gemalt hat. Doch kurz vor Studien beginn ist sie über die Buchstaben gestolpert. Während des Studiums lernte sie auch klassische Kalligraphie.
Inzwischen hat Hannah ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Sie beherrscht die verschiedensten Handschriften und das unabhängig von Schreibutensil oder Unterlage. Somit ist sie die perfekte Fachfrau für unser Projekt. Eine spezielle Berufsbezeichnung gibt es hier nicht. Am treffendsten ist wohl „Hand lettering Artist“ – eben eine professionelle Schönschreiberin.
Am Mittwoch, den 19. August trafen wir beide uns also am Erlanger E-Werk und zogen um die Häuser. Es galt acht Schaufenster mit Sprüchen zu verzieren. Den Anfang machten wir bei „Bongartz – Musik in allen Formaten“ – also Hannah machte den Anfang. Ich durfte sie begeleiten, die ein oder andere „Zeile spannen“ und ganz wichtig! Alles digital festhalten. Also Handy gezückt und die Kamerafunktion eingeschaltet!
Vom Bongartz war es nicht weit zum nächsten Schaufenster: Pfeiffer Leder & Mode. Chefin Annette Pfeiffer war ganz beigeistert von Hannahs Buchstaben Kunst. Für das dritte Fenster ging es in die Schiffstraße Ecke Wasserturmstraße: Ute Burkhart hat dort ihren Papierladen. Im Moment ist sie zwar in Urlaub und somit der Laden geschlossen, doch das hinderte Hannah nicht daran ihre Buchstaben auf das Fenster zu zaubern.
Wer arbeitet braucht auch eine Stärkung und so ging es als nächstes ins Muskat zu Zacharias Dengler. Nach einem gemütlichen Mittagessen ging es im Sauseschritt zum Wollstübchen: Die Erlanger Nachrichten wollten nämlich auch wissen, was wir hier trieben 🙂
Nachdem die Herrschaften der Presse weiter gezogen waren ging es für Hannah an Fenster Nummer fünf: Bei Dodal Regional gab es einen Spruch über die köstlichen Dinge des Lebens, die immer Einsatz erfordern…
Zurück in die Schiffstraße zur Drehscheibe. Eine groooße Fensterscheibe sollte von Versuchungen erzählen. Hannah macht das.
Im Nachbarhaus waren wir dann auch endlich bei Ute Schiegel zu Gast. Ohne Ute hätte es diese Aktion gar nicht gegeben. Und im Laufe des Tages haben wir oft genug gehört: „Das ist ja noch viel schöner, als ich dachte!“. Wenn das mal kein Erfolg ist! Mal davon abgesehen, dass sich regelmäßig Zuschauer einfanden, die gebannt Hannahs Arbeit verfolgten…
Doch auch so ein schöner Tag geht einmal zu Ende. Und ehrlich gesagt war ich ganz schön müde. Obwohl ich nur dabei war, die ein oder andere Paketschnur-Zeile ans Fenster gepappt habe und Utensilien einsammeln geholfen habe, taten mir die Füße weh und ich freute mich ordentlich auf mein Sofa. Ein Fenster galt es aber noch zu beschriften: Am Atelier wurde der Spruch – ähnlich wie bei Hinz & Kunst – auf zwei Fenster verteilt.
Selbst Coco, der so einen Tag natürlich suuuper klasse findet, lag inzwischen auf der Ateliers-Couch und hob nur mit Mühe ein Lid… Es war ein toller Tag. Das Ergebnis ist phänomenal! Und es ist ganz, ganz super-großartig-genial mit einem so lieben Menschen, wie Hannah Rabenstein arbeiten zu dürfen.
Im Namen von Leben findet Altstadt, im Namen aller Läden, die dabei sind: Herzlichen Dank, liebe Hannah für die wunderschöne Umsetzung dieser Idee!
Nun kann das Poetenfest kommen 🙂