Black Swan
Seitdem ich Bekanntschaft mit Tom Maurer und seinem Blog the ACIDBAR gemacht habe, traue ich mich nicht mehr über Filme zu schreiben. Zum einen fehlt es mir im Vergleich an Wissen und Hintergrundverständnis für die Welt des Films und zum anderen fühle ich mich legasthenisch, wenn ich Toms Ergüsse lese 😉
Doch Black Swan hat mich derart geflasht, dass ich mich nun ganz weit aus dem Fenster lehne und die werte Leserschaft an meiner Sicht des Films teil haben lassen will.
Vergangenen Samstag ging es also im Quartett ins Nürnberger Cinecitta. Der Kinobesuch erfolgte mit geringer Vorinformation. Natürlich wusste ich, dass es um eine Balletttänzerin – dargestellt von Natalie Portman – geht, die die erste große Solorolle erhält. Kurz vor Beginn der Vorstellung bekam ich von Christine noch mitgeteilt, dass der Film ein richtiger Thriller sein sollte, zuweilen wohl auch ganz schön brutal und blutig. Auf Grund dieser Information formte sich in meinem Geiste ein Kampf zwischen Ballett-Zicken, mit diversen Intrigen um die begehrte Rolle zu ergattern.
Christine empfand den Film auch als „schrecklich bäh!“, einer unserer begleiteten Herren empfand ihn als Kopie von Fight-Club und verschlief daher auch ein gutes Drittel 😉
Ich muss in einem anderen Film gesessen haben, denn mir tat sich da ein ganz anderes Werk auf.
Black Swan erzählt die Geschichte von Tschaikowskis Schwanensee wiedergespiegelt im Leben von Nina, die eben die Hauptrolle tanzen soll. In Schwanensee ist Odette eine Prinzessin, die verzaubert von Rotbart, in der Gestalt eines weißen Schwanes lebt. Nur die Liebe kann den Fluch brechen und sie zurück verwandeln. Doch gibt es in dem weißen Schwan auch die düstere Seite, Odile, die durch den schwarzen Schwan verkörpert wird. Er steht für Leidenschaft, Hass, Animus.
Die Rolle der Odette/Odlilie zählt zu den anspruchvollsten der Ballettwelt. Denn neben des hohen technischen Niveaus der Choreographie bedarf es einer Tänzerin, die sowohl das zarte, weiche, liebevolle des weißen Schwans, wie eben das zerstörerische, berechnende, leidenschaftliche der Odile verkörpern kann.
Und genau hier hakt Black Swan ein. Nina ist der weiße Schwan, eine eifrige Ballerina, die ihr ganzes Leben dem Tanz widmet. Doch was ist mit ihrer dunklen Seite? Wo steckt Ihre Leidenschaft?
Ich habe einen Film gesehen, in dem ein Mädchen zur Frau wird. Eine Tochter sich von einer Übermutter abzunabeln versucht. Ein Mensch unter – vor allem selbst gemachten Druck – bricht.
Da ich selbst zwölf Jahre aktiv Ballett getanzt habe, waren für mich die getanzten Szenen vielleicht intensiver, als für andere Zuschauer. Mich hat der Film schier körperlich in den Bann gezogen. Mit jedem Versuch Ninas, die Rolle des schwarzen Schwans zu erfüllen, bekam ich mehr Gänsehaut… Der Film verdichtet sich mit jeder Minute.
Ein Psycho-Thriller, der auf vielen Ebenen spielt. Die Studie einer Psyche, die in jeden Winkel leuchtet. Ich kann mich nicht erinnern einen anderen Film gesehen zu haben, in dem die Entwicklung der Protagonistin so gut „erklärt“ wird, wie in Black Swan. Mit leisen Zwischentönen, bis hin zu ganz klassischen Schock-Elementen. Für mich war es eine rasende, beklemmende, teils verstörende Fahrt, getragen von den wunderbaren Melodien meines Lieblingsballetts.
Ah! Der vierte unseres samstäglichen Kino-Quartetts hat seine eigene Rezession bereits veröffentlicht. Wer es also aus der Sicht eines Herren lesen mag, folge diesem Link: https://on.fb.me/f0VE1x
– …gerade den höchst richtigen Hinweis erhalten, dass dieser Link nur funktioniert, wenn man mit unserem „vierten Mann“ auf Facebook befreundet ist 🙂 – daher also hier direkt der Text von Jan:
Zugegeben, nach Golden Globe und überschwänglichem Lob des Feuilleton kann man bei Black Swan schon argwöhnisch werden, wie @TomMaurer richtig bemerkt. Andererseits: Wessen sollte man Darren Aronofsky verdächtigen? Abgesehen von „The Fountain“, mit dem ich bis heute nicht so richtig warm werde, hat der Regisseur nur Filme gemacht, die bis heute in mir nachhallen, die aber dennoch so unpopulär inszeniert sind, dass sie garantiert nicht zum Verkaufsschlager inkl. Zweit- und Drittvermarktung taugen. Motto: „Schaue mit Schmerzen“ – und so habe ich die sehr geschätzten „Requiem for a dream“ oder „The Wrestler“ bis heute kein zweites Mal gesehen. Ganz ähnlich wird es mir auch mit „Black Swan“ ergehen, nach dem ich erstmal minutenlang regungslos im Kinositz verharrte. Unter der wunderschönen Oberfläche ausschweifender Balletszenen lauert das alltägliche banale Grauen, splittern überlaut die Fußnägel, krachen die Gelenke und bebt der Atem der Protagonistin, die unter dem eigenen Druck und der ihrer Mutter so gerne perfekt und die Beste ihres Fachs wäre – bis sich Paranoia und Wahnvorstellungen ihren Weg bahnen. Das ganze ist ohne nennenswerte Zugeständnisse an das Massenkino in Szene gesetzt – Drogen, Lesbensex, Masturbation und einige blutige Schockeffekte werden dem Film sicher keine Empfehlung der Tea Party einbringen, insofern darf der eingangs erwähnte Argwohn schnell wieder eingepackt werden. In der Hauptrolle brilliert eine oscar-würdige Natalie Portman, Vincent Cassel darf an ihrer Seite mitglänzen und Komponist Clint Mansell remixt gekonnt Tschaikowski; der einzige Vorwurf, den man Aronofsky machen kann: er arbeitet sich am nahezu gleichen Grundthema ab wie bei „The Wrestler“ – einige Szenen wie der Schluss wirken nahezu gespiegelt. Sollte man sich also zwischen einem der beiden Filme entscheiden müssen, so dürfte es – bei allem Respekt vor Mickey Rourke – gerne „Black Swan“ sein. |
…übrigens gibt es nach diesem Erguss von Jan zwei Gründe, warum ich mich unwohl fühle, wenn ich etwas über einen Film stopsele 😉