Ich weiß nicht, ob das eine Erscheinung der frühen 90er Jahre war oder ob das ein typisches Erleben einer Teenagerin ist: Damals war für mich die BRAVO-Kuschel-Hits sowas von hip und ich stand total auf diese Poster, die fürchterlich kitschige Sonnenuntergänge an karibischen Stränden zeigten. Internet war da noch nicht. Also muss es da noch Print-Kataloge von gegenben haben… Delfine sprangen aus dem Meer und bildeten im Sprung eine Herzform… Huiuiuiii!

Das ist ja alles laaange her 🙂

Und doch holt es mich wieder ein.

Nein, ich habe mir nicht doch noch so ein Poster gekauft und aufgehängt, aber Thomas Vergosen – einer unserer liebsten Stofflieferanten – brachte doch tatsächlich einen Stoff mit, der genau so aussieht: Die Sonne versinkt als grellgelber Ball in fast schon türkisfarbenem Wasser, während der Himmel in pink getaucht ist. Umgeben ist dieser Sonnenuntergang von einem Rahmen aus Aloha-Blüten und zwei Aras.
Just an diesem Tag, an dem Thomas Vergosen diesen Panneaux-Druck dabei hatte, war auch unsere liebe Gerlind bei uns im Atelier zu besuch. Gerlind liebt Farbe, Tiere und alles was glitzert. Sie sagt über sich selbst, dass sie als Kind und junge Frau immer sehr dezent gekleidet war und auch in ihrer Familie wenig von frohen Farben und Glitzer gehalten wurde. Doch in ihr schlummerte schon immer diese unbändige Lebensfreude, die Sehnsucht nach weit entfernten Orten und Abenteuern. Für Abenteuer sei sie sich nun ein wenig zu alt, aber nun könne sie endlich nach holen, was ihr früher an Farbe verwehrt geblieben war.
Sie sah den Stoff und verliebte sich augenblicklich. Diese Farben! Papageien! Und die schönen, schönen Blumen!!!

Möglichst wenig sollte ich nur von dem Stoff zerschneiden. Nichts sollte verloren gehen. Aber irgendwie tragbar sollte es doch sein. Mir viel nichts besseres als ein Kleid ein. Allerdings ist der Druck zu groß bzw. Gerlind zu klein gewachsen, als dass das gut funktioniert hätte. Das Kleid wäre einfach bodenlang gewesen und das ist Gerlind zu unpraktisch.
Gerlind ist ein sehr spontaner Mensch. So wunderte es mich nicht, dass ein paar Tage nach unserem ersten Treffen bzgl. der wunderbar bunten Seide, mein Telefon klingelte und Gerlind mir entgegen rief: „Ich weiß, wie wir es machen!“
Eine Schlupfhose sollte es werden. Ganz bequem und lässig. Die Papageien möglichst nicht beschneiden!!! Und darüber eine Art Poncho. Ein überdimensioniertes Fledermaus-Oberteil, das uns erlaubt, den Druck möglichst unangetastet zu lassen.
Wir mussten ihn lediglich einmal quer durch trennen, sonst wäre der Papagei am Rücken Kopf gestanden. Ist ja keine Fledermaus.

Nein, das ist kein Outfit für die Erlanger Innenstadt. Und ja, Gerlind sieht darin aus, als wäre sie per Zeitmaschine gerade von Woodstock zu uns gekommen. Es ist völlig verrückt und echt schräg. Doch als Gerlind dann vor uns stand, in Ihrer ganzen Farbenpracht, strahlte sie so sehr. Und es steht ihr einfach. Sie sieht toll aus. Verrückt, aber richtig, richtig großartig.
Das Outfit ist so daneben, dass es schon wieder grandios ist.
Und ich bin sehr dankbar, dass ich für solche Menschen wie Gerlind tätig werden darf. Da wird Arbeit zum Vergnüngen.

Tragt mehr Farbe!