Mein Chef – der Stimmungskiller
Gute Stimmung unerwünscht, Heiterkeit verboten: Manche Unternehmen sorgen für Frost im Büro, damit niemand aufmuckt. Martin Wehrle beschreibt in seinem Buch „Bin ich hier der Depp? – Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen“, wie Angst und Konkurrenzdenken die Mitarbeiter betäuben sollen – und Solidarität verhindern.
Zwei Kolleginnen, die sich ein Büro teilen und sich gut verstehen werden umgesiedelt, bekommen neue Nachbarn. Auf die Frage, warum der Chef diese Entscheidung getroffen hat, bekommen sie als Antwort „Sie verstehen sich zu gut! Sie werden fürs Arbeiten bezahlt, nicht fürs Vergnügen. Wenn es zu lustig zugeht, leidet die Arbeit. Das hat auch eine schlechte Signalwirkung. Die Kollegen arbeiten hart.“ Gut werden einige sagen, das kann schon sein, dass unter guten Kollegen die Arbeit leidet, weil zu viel Späßchen gemacht werden und zu wenig gearbeitet wird.
Wer in solchen Firmen bei der Arbeit lacht, muss einen Mundschutz tragen, sonst macht er sich verdächtig. Lächeln verboten, Mitarbeiter haften für ihre Gesichter. Und wer noch keine schwarzen Ringe unter den Augen hat, sollte sich wohl besser mit Lidschatten welche malen, sonst könnte er in den Verdacht geraten, ein Faulpelz zu sein.
Wenigstens in dieser Hinsicht sind Chefs gute Vorbilder. Sie rennen in einem Tempo über den Flur, dass jedes Mal, wenn sie zum Meeting-Raum durchstarten, der aktuelle Rekord im Hundert-Meter-Sprint wackelt. Arbeit als Wettkampf, jeder gegen jeden: Deutschland gegen China, Firma gegen Firma, Mitarbeiter gegen Mitarbeiter. Und Mensch gegen Uhr.
Die Arbeitswelt ist die kälteste aller Welten. Und diese Kälte in den Firmen ist nicht zuletzt auf den Überlebenskampf auf den Märkten zurückzuführen. Mit Headhuntern machen die Firmen ihren Konkurrenten die Talente abspenstig. Mit kriegerischem Eifer werfen sie sich in Fusionsschlachten. Wer nicht willig ist, wird mit Gewalt bezwungen, auch „feindliche Übernahme“ genannt. Und auf dem Friedhof der Insolvenzen schlummern jene Firmen, deren Bandagen für einen solchen Kampf nicht hart genug waren. Ständig lautet die Frage: Sein oder nicht sein? Arbeitsplatz oder Kündigung? Du oder ich? Ein solches Klima wirkt sich auf Mobbing aus wie Eisregen auf Verkehrsunfälle: Es kracht am laufenden Band.
Jetzt werden sich einige Fragen: Und wie ist das dann bei euch im Atelier?
Jaaaa, bei uns ist das anders. Da rennt die Chefin zwar auch im Eiltempo durch die Gegend und ist stets voll beschäftigt, hat dabei aber immer einen lustigen Spruch im Gepäck. Und wenn mal eine Stunde nicht gesprochen wird im Atelier, ist sie die erste, die die Stimmung lockert und ihre „Nähmäuse“ zum reden animiert.
Ob man eine allgemeine Erfolgsformel daraus ziehen kann weiß ich nicht, bei uns funktioniert’s glaub ich ganz gut so, eben weil wir wissen, wann gequatscht werden kann und wann wir uns ranhalten müssen, trotz (oder gerade wegen?) gutem Verhältnis untereinander. Letztendlich muss wohl jede Firma und jeder Chef selbst wissen, wie sie zum gewünschten Erfolg kommen (wollen).