Maßschneiderin – ein zeitgemäßer Beruf?
„Warum bist Du gerade Schneiderin geworden? Du hättest doch auch Designerin werden können!“ – Diese Frage stellte mir vor ein paar Jahren der Vater einer Schulfreundin. Seines Erachtens habe ich damit einen Beruf gewählt, der „weit unter meinen Möglichkeiten läge“ und der „doch nichts bringt“.
Drehen wir die Uhr zurück.
1996 habe ich eben das Zwischenzeugnis der zwölften Klasse bekommen, als ich mich aktiv mit den Thema Berufswahl auseinandersetze. Kunst und Mathe Leistungskurs war schon so ne Kombi… Aber was macht man daraus?
Ich hatte einerseits immer Freude daran etwas zu erschaffen, andererseits faszinieren mich schon immer Zahlen und Berechnungen aller Art. Also einerseits der kreative Schöpfungsprozess und andererseits die Klarheit, „Berechenbarkeit“ und „Zuverlässigkeit“ von Zahlen. Egal was Sie rechnen – das Ergebnis ist richtig oder falsch. Es gibt keinen Graubereich, keinen Interpretationsspielraum. Ich finde das sehr angenehm.
Also Mathe studieren?
Nee! Ich hatte nach zwölf Jahren Schule genug von trockener Theorie – da konnte auch der Kunst LK nichts dran ändern. Ich wollte irgendetwas MACHEN. Mein Vater plädierte für Goldschmiedin.
Meine Großmutter war selbst Scheidergesellin. Mit fünf Jahren bin ich das erste Mal an Omas Nähmaschine gesessen und habe für „Lulatsch“, meinen großen Hasen, der mich seit meinem ersten Lebensjahr begleitet, Röcke, Kleider und Kostüme genäht.
So gesehen bin ich aus recht veralteten Motiven Schneiderin geworden.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.Meine Pläne bezüglich des Berufes waren leicht umzusetzen. Mann und Kinder ergaben sich aber nicht. Also war in meinem Leben eine große Menge Kraft und Zeit vakant, die nun mit der Schneiderei gefüllt wurde. Obwohl ich Jahre dachte, ich würde nie ausbilden, hatte ich dann plötzlich meine erste Azubine. Olga machte damals Praktikum bei mir und mir wurde klar: Wenn ich das Mädel nicht ausbilde, dann bilde ich nie im Leben aus.
Eine der ganz wichtigen und richtigen Entscheidungen in meinem Leben.
Inzwischen habe ich also doch „vier Kinder“: Karen, Magdalena, Barbara und Eszter. „Kind Nr.1“, Olga, ist inzwischen „flügge“ geworden und besucht in München die Meisterschule.
Habe ich nun einen veralteten Beruf, den ich aus veralteten Motiven gewählt habe?
Nein!
Wir machen nicht einfach „Anziehsachen gegen Nacktheit“. Wir erschaffen einzigartige Kleidungsstücke und noch etwas ganz Großes: Unsere Kleidungsstücke bringen an unseren Kunden die schönsten Facetten hervor. Unsere Kleidungsstücke sind Lebensqualität, Seelenhonig, Sicherheit und Wellness für die Persönlichkeit.
Also bin ich genau genommen Coach geworden.
Ich helfe meinen Kunden die Person zu verkörpern, als die sie gesehen werden wollen. Ich unterstütze meine Kunden authentisch zu sein, sich selbst zu finden.
Verdammt modern, die Maßschneiderei 🙂