Herrensache
Es heißt, man zieht die Menschen an, die zu einem passen.
Das bedeutet für mich auch, dass wir gerade im Herrenbereich immer wieder Aufträge bekommen, die sich vom 08/15-Anzug entfernen.
So kam im Spätsommer Heiko Primas auf mich zu. Er hat ein Sakko, dass er sehr mag. Es ist ein Hirschledersakko, dass recht „trachtig“ gearbeitet ist. Die Knopflöcher, der Kragen und die Taschen sind dunkelgrün abgesetzt. Anstatt Steinnussknöpfen, hat das Sakko Metallknöpfe, die aussehen, als seien sie aus alten Münzen gefertigt.
Jetzt hätte er gerne so ein Sakko, aaaber
1.) Es sollte schmaler geschnitten sein – das Ledersakko war doch sehr „bequem“…
2.) Er wünscht es sich aus einem grauen Loden, damit es etwas weniger nach Tracht aussähe.
Es sollte also ein Crossover aus Trachtenjacke und Anzugjacket werden.
Ha! Das sind ja genau die Aufgaben, die ich liiiiebe!
Wir entschieden uns für einen mittelgrauen Flanell und einen etwas dunkleren für die Teile, die farblich abgesetzt gearbeitet werden sollten. Um mehr in Richtung „normales Sakko“ zu kommen, verzichteten wir auf den Riegel im Rücken und auf die paspolierten Knopflöcher. Die „Münzen-Knöpfe“, den farblich abgesetzten Stehkragen und die Stickerei unter der Brusttasche wollten wir aber bei behalten.
Wie Sie auf dem Foto sehen können, haben wir nur die Paspel der Frankfurter Taschen dunkel gestaltet – die Patte aber wieder hell. Eine ordentlich gearbeitete Frankfurter Tasche erlaubt die Patte in die Tasche zu schieben, ohne dass diese darin knautscht. Und schon hat man Paspeltaschen.
Noch ein Wort zur Stickerei:
Ich bin sehr froh, dass ich meine Lehre bei Barbara Bachmann in München absolvieren konnte. Hier habe ich nämlich einiges gelernt, was nicht zum geforderten Katalog gehört. Wir haben bei Barbara Bachmann den ein oder anderen Pelzmantel repariert, was mir einen wunderbaren Einblick in die Kürschnerei erlaubte und unter anderem auch gelernt, wie man Hirschlederne verarbeitet. Und zu einer anständigen Lederhose gehört eben auch die Stickerei.
Ich sage Ihnen: das bedeutet blutige Finger! Hirschleder sticht sich nun mal nicht wie Butter.
Im Fall von Heikos Sakko war es natürlich deutlich einfacher. Der Flanell lässt sich spielend durchstechen. Hier ist dann mehr die Herausforderung, dass der Stoff nicht hinterher in alle Richtungen zieht. Leder ist wie Gummi. Sie sticken und die Haut um die Stickerei entspannt sich nach einiger Zeit wieder und liegt glatt. Ein gewebter Stoff ist da ganz anderer Meinung.
Aber es wäre kein gutes Schneiderlein, wenn es das nicht schaffen würde.
Vielleicht ergattere ich bei Zeiten ein Foto mit dem Sakko Eigentümer. Laut seiner Aussage fühlt er sich überaus wohl und ist sehr begeistert. So soll es sein!