“Das Psycho-Kondom”
Nachdem ich mich zuletzt unter dem Titel „die großen Schweiger und Ihre geheimen Wünsche“ ausgelassen habe, hier nun Teil zwei meiner angekündigten Trilogie.
„Das Psycho-Kondom“
Vorneweg möchte ich mich direkt entschuldigen – denn es kann ohne weiteres sein, dass dies ein Verhalten ist, was man(n) auch bei Frauen finden kann. Ich persönlich kenne es nur von Männer, lasse mich aber gerne eines besseren belehren.
Eine eigenartige Sache, die ich aber immer wieder erlebe. Insbesondere gibt es dieses Verhalten bei virtuellen Kontakten. Doch kenn ich sogar zwei Menschen, die das live hinbekommen haben…
Wovon ich eigentlich spreche?
Es ist überraschend, aus welch wenig Informationen manche Menschen ihre Meinung über eine andere Person ziehen. Das geht soweit, dass auch Dinge schlicht unterstellt werden, die überhaupt nichts mit der Person zu tun haben. Es hat den Anschein, als würden manche Menschen versuchen eine Wunschperson zu erschaffen, der jegliche reale Grundlage fehlt.
So entwickeln sich nette Chats oder E-Mail Gespräche plötzlich eingleisig in eine Richtung und selbst vehemente Hinweise, dass man das nicht möchte werden ignoriert. Ein sehr krasses, wenn auch inhaltlich harmloses Beispiel hatte ich vergangenes Jahr hier beschrieben.
Zuletzt durfte ich folgenden Fall erleben. (Ich werde ja immer schneller, solche Menschen zu „entlarven“.) Eine harmlose Freundschaftsanfrage via Facebook, begleitet von einem Zweizeiler, mein Facebookprofil sei ja so interessant. Neugierig, aufgrund des Zweizeilers, warf auch ich einen Blick auf das Profil des Schreiberlings. „FAKE“ war das erste, was ich bei dem Profil dachte. Oder um genauer zu sein: Ein Profil, dass einfach NICHTS über den Eigentümer aussagt. Das Bild ein Ausschnitt, der nichts erkennen lässt, kaum Informationen angegeben und die angegebenen sagen „mehr verrate ich nicht“ und „was hier steht stimmt zwar nicht, aber es macht mich interessant“. Da mein Profil für jeden einsehbar ist (auch ohne mit mir „befreundet“ zu sein), verstand ich also gar nicht, warum der Herr eine Freundschaft mit mir wünschte. Er erfuhr so ja nicht mehr – und selbst wollte er ja offensichtlich unbekannt bleiben.
Also schrieb ich zurück, dass ich verwundert sei ob seiner Motivation. Nein, beteuerte er, er trenne lediglich das private und das geschäftliche und hätte auf XING ein vollständiges und aussagekräftiges Profil, was er mir auch sehr bald verriet. Ich entgegnete, dass, meiner Erfahrung nach, es Menschen mit solchen Profilen, im realen Leben oft an Mut mangele, sie häufig unlautere Absichten hätten und/oder etwas zu verstecken hätte. Dies wies der Schreiberling weit von sich. Und da ich an das Gute im Menschen glaube, keinen Grund für eine Falschaussage sah und er schön schrieb, beließ ich es dabei.
Es entwickelte sich ein sehr angenehmer, schöner Austausch zwischen uns, der zu Anfang auch von beiden Seiten gleichwertig inhaltlich gefüllt wurde. Doch bereits nach wenigen Mails (und wir befinden uns noch immer im Bereich T+36h nach der ersten Mail!), wurde sein Input weniger… Dafür gab´s immer mehr Komplimente und die Gesprächsrichtung wurde – sagen wir mal – immer eindeutiger. Er führte mich quasi auf „seine Spur“, forerte schier gewisse Aussagen heraus und verhielt sich dabei in einer Selbstverständlichkeit, die suggerierte: „Du willst das doch so.“ Außerdem sandte er mir einige Fotos seiner selbst zu. Unaufgefordert, bitte schön!
Am folgenden Tag war ihm eine „adäquate Antwort“ auf Grund von außer Haus Terminen nicht möglich. Dafür gab es schmalzige Zweizeiler und Bekundungen, wie sehr ihn meine Worte inspirierten. *pfft!*
Donnerstagmorgen fragte ich dann an, ob ihn in den Abendstunden ein Studium von einer adäquaten Antwort abhalten würde. Die Antwort kam promt: „Nein, die Famile.“
Bitte jetzt nicht missverstehen. Ich hatte kein weiterführendes Interesse am Schreiberling. Aber wenn ich in einer meiner ersten Mails genau so eine Situation anspreche, man(n) dann alles von sich weist, sich meine Anfangs-Vermutung schließlich doch bestätigt – dann fühle ich mich belogen und benutzt.
Mein Resumée über diesen Herren: Es ging um die Befriedigung seiner Phantasien. Um sonst nichts. Ich glaube ihm voll und ganz, dass er niemals vorhatte seine Partnerin körperlich zu hintergehen. Er hatte ja nicht mal an meiner Person Interesse.
Ein typischer Fall von Psycho-Kondom: Da seine Gattin wohl nicht seine Wünsche erfüllt – er auch auf diesem Gebiet keine Lösungsmöglichkeit sieht (zu gut Deutsch: es fehlt der Mumm den Mund aufzumachen), benötigt er andere Menschen, die er (funzt sehr praktisch durch die virtuelle Distanz) zu seinen Geschöpfen formen kann. Das dafür dem Gegenüber eine Realität übergestülpt wird, die wenig mit der Wahrheit zu tun hat, ist für einen solchen, wie den Schreiberling, unerheblich.
Es geht nicht darum das Gegenüber tatsächlich kennen zu lernen – sprich den Menschen dahinter zu begreifen – sondern eine Projektionsfläche für das zu haben, was man(n) im eigenen Leben gerne hätte, sich aber nicht zu fordern traut.
Lustiger weise halten sich solche Menschen übrigens häufig für sehr wohl erzogen und höflich. Dass dieses Verhalten eine Form höchster Respektlosigkeit ist, wird gerne vergessen. Es ist am Ende eine Form psychischer Vergewaltigung.
Ich verstehe bei diesem Verhalten einzig nicht, warum jemand Zeit in Hirngespinnste investiert. Wäre es nicht viel interessanter tatsächlich heraus zu finden, wie das Gegenüber tickt? Wäre es nicht viel spannender die Wünsche mit der eigenen Partnerin Realität werden zu lassen?