Darf man auf sich selbst stolz sein?
Ich bin es.
Warum? – Das wird eine längere Geschichte:
Ende Oktober war Bundeskonress der Maßschneider in Kiel. Das bedeutet, dass aus der ganzen Republik das Nadel schwingende Volk zusammen kommt um sich auszutauschen, zu gewissen Themen Workshops zu besuchen und sich zu messen. Wer hier her kommt, ist keine Änderungsschneiderin oder Industrienäherin. Wer den Bundeskongress besucht, ist ein Vollblut-Maßschneider.
Wir sind gleich in voller Besetzung angereist: Magdalena, Felix und ich stiegen am Donnerstag, den 29. September 2016 ins Auto und fuhren fast neun lange Stunden von Erlangen nach Kiel. Himmel Kinners! Was habt Ihr da rund um Hamburg Baustellen!
Der Kongress selbst startete am Freitag mit der Abgabe der Wettbewerbsmodelle. Je nachdem wie man zählen möchte gab es drei bzw. vier Wettbewerbe. Einmal der Avantgard-Wettbewerb, der für die Auszubildenden gedacht ist. Hier zählt die Idee mehr, als die Verarbeitung, denn man kann von einem Lehrling im ersten Lehrjahr – und das ist ja auch gerade vier Wochen alt – nicht verlangen, dass er Handwerkskunst liefert, für die andere seit drei Jahren üben. Dann gibt es den Mitarbeiter-Wettbewerb. Wie der Name es schon vermuten lässt, sind hier vor allem die Gesellen_Innen gefragt. Aber auch das 3. Lehrjahr darf hier bereits in den Ring steigen – sofern es sich traut 🙂
Zu guter Letzt gibt es noch den sogenannten „Ateliers-Wettbewerb“. Dieser richtet sich an die Meister. Und hier werden Damen- und Herren-Schneider auch extra bewertet.
Die Annahme der Wettbewerbs-Modelle lief bis 12 Uhr. Wir waren wirklich erleichtert, dass wir bereits am Vortag angereist waren. Ansonsten hätten wir um 3 Uhr Nachts los fahren müssen um pünktlich zu sein.
Anders als die Kollegen, die sich in Hotels eingemietet hatten, hatten wir uns für ein Appartement entschieden. Das war ein Spaß! Zudem war unsere kleine Maßschneider-WG nur sieben Geh-Minuten von der IHK entfernt, in der unser Kongress stattfand. Wir konnten also am Freitagmorgen ganz gemütlich im nahe gelegenen Bistro frühstücken, bevor es zur Abgabe der Wettbewerbs-Modelle ging.
Im Foyer der IHK hatten einige Lieferanten Stände aufgebaut: Scabal, Carnet, Alfred Stöffler, Veit und viele andere. So verging die Zeit zwischen Abgabe und Kongressbeginn wie im Fluge, wir mussten ja gleich mal einkaufen 🙂
Unsere „Bundes-Inge“, wie ich gerne zu unserer Vorsitzenden der Bundesmaßschneiderinnung sage, eröffnete den Kongress und somit die erste Workshop Runde. Inge Szoltysik-Sparrer kennen Sie sogar mit großer Wahrscheinlichkeit. Sie versteht ihren Job als Bundesvorsitzende nämlich auch als PR-Auftrag für unseren Berufsstand und so konnte man Inge auf VOX gemeinsam mit Guido Maria Kretschmer in „Geschickt eingefädelt“ bewundern.
Inge Szoltysik-Sparrer macht da einen richtig guten Job! Seitdem ich sie persönlich kennen lernen konnte bin ich ein richtiger Fan geworden. Sie weiß, wie wichtig es ist, dass unsere Handwerkskunst als solche verkauft wird. Wie wichtig es ist, Tag für Tag die Menschen, die auf uns zukommen aufzuklären, was wir eigentlich machen. Warum ein Maßschneider mehr kann als ein Designer und wo sich Maßkonfektion von Vollmaß abgrenzt. Ich bin froh, dass wir eine so klasse Galionsfigur mit Inge haben!
Während wir also Workshops zum Thema Marketing, Internet, Schnittkunde und Kommunikation besuchten, saßen die Jurys der Wettbewerbe mit rauchenden Köpfen beisammen und vergaben Punkte in Kategorien wie Idee, Umsetzung und Verarbeitung. Besonders beim Atelierswettbewerb der Herrenschneider_Innen dauerte es lange, bis man sich einig wurde. Die letzten Punkte wurden dann am Samstagnachmittag bei der Präsentation der verschiedenen Outfits auf den eigens aufgebauten Laufsteg vergeben. Denn manches Stück entfaltet erst im angezogenen Zustand seine ganze Pracht.
Bis dahin erlebten wir jedoch noch allerlei phantastisches: Abends trafen wir uns alle am Anlegesteg der MS Freya, die komplett von uns gechartert worden war. Wir schipperten hinaus aufs Meer und machten eine wundervolle Rundfahrt bei Sonnenuntergang. Dazu gab es ein üppiges Buffet, das keine Wünsche offen ließ. Das war auch der Zeitpunkt, an dem endlich Zeit für Kollegen war. Das wichtigste auf einem solchen Kongress sind nämlich die Menschen: Ich habe mich soooo sehr gefreut Eva Schönherr wieder zu sehen. Meine super sympathische Kollegin aus Fulda hatte ich erst vergangenen Oktober bei den „Young Tailors“ in Düsseldorf kennen gelernt. Natürlich trafen wir auch viele alte Bekannte aus München oder NRW wieder und lernten auch weitere Kollegen kennen. Der Samstag startete für mich mit Fach-Workshops zum Thema Dressieren und Sticken. Super spannend! Danach wurden die Modelle aller Wettbewerbe auf dem Laufsteg gezeigt. Das ist für mich immer der Höhepunkt – vor allem, wenn wir selbst involviert sind. Magdalena trug das Outfit, das Felix für den Avantgard-Wettbewerb genäht hatte. Mein Kleid wurde von Model Katja gezeigt.Eigentlich fand ich in diesem Moment viel spannender, was die „Konkurrenz“ zu bieten hatte. Daran kann man sich doch ein bisschen ausrechnen, ob man eine Chance auf eine Medaille hat oder nicht.
Die Zeit zwischen der Modenschau und der Preisverleihung im Rahmen der Modenacht zog sich für mein Empfinden wie Kaugummi. Nicht etwa, weil das Programm plötzlich langweilig geworden wäre – ich war einfach zu gespannt.
Endlich gingen die Preisverleihungen los! Gestartet wurde mit dem Avantgard-Wettbewerb. Da waren schon unglaublich tolle Modelle dabei. Modelle bei denen klar war auch unter dem Nachwuchs gibt es genügend, die für unseren Beruf brennen. Das war reinstes Herzblut! Die Preise wurde „von hinten“ vergeben. Somit hoffte ich erst, dass Felix Name nicht genannt wird – damit er die Chance auf einen guten Platz hat – doch irgendwann war klar, sein Entwurf war zu schlicht gewesen um sich gegen diese Übermacht durch zusetzen.
Felix nahm das ganze sportlich: Dabei sein ist alles. Und nach vier Wochen Ausbildung wäre ein anderes Ergebnis traurig für die Mitbewerber gewesen 🙂
Als es in Richtung Ateliers-Wettbewerb ging, konnte ich eine gewisse Aufregung nicht mehr vermeiden. Und auch hier wieder das Hoffen und Bangen. Ich wollte weder sechste werden, noch gar keinen Platz ergattern… Somit war ich anfangs froh, als mein Name nicht fiel, später befürchtete ich, gar keinen Preis mit nach Hause nehmen zu können.
Es wurde eine wunderschöne, glänzende, groooße Silbermedaille!
Und ich bin da richtig, richtig stolz drauf!
Ich weiß, dass die Jury höchste Maßstäbe anlegt. Eine Jurorinnen ließ sogar verlauten, wer es bei ihr auch nur zu einer Bronze-Medaille schafft, dürfe sich etwas darauf einbilden.
Der Sonntag begann dementsprechend ruhig und bedächtig. Und der liebe Gott hatte ein Einsehen mit den weitgereisten Schneiderleins aus Erlangen und sorgte für freie Fahrt nach Erlangen.
Wie man es nun anstellt, eine so hohe Auszeichnung zu bekommen, verrate ich ein ander Mal. Da gibt´s dann Einblicke für die Fachwissen-Interessierten 🙂
Vielen lieben Dank an dieser Stelle an Karl-Heinz Zonbergs, dass ich seine Fotos hier nutzen darf.