Andere Länder – andere Sitten?
Bis vor vier Jahren war Ägypten für mich.. weit weg. Das Land der Pharaonen und Pyramiden. Wüste. Kamele. Verschleierte Frauen. Männer in bodenlangen zumeist schwarzen Kitteln.
Dann schlug Anfang 2011 Jan vor, ob wir nicht zusammen eine Woche nach Ägypten fliegen sollten. Eine Woche „sweet nothing“. Anfang 2013 hatte ich ne Ahnung davon was man unter „burn out“ verstehen konnte und entschied daher, mich wieder in den Flieger zu setzen. (Dazu gibt es Berichte hier und hier :-)) In Ferienanlagen wie dem „Makadi Madinat“ kann perfekt ausspannen, muss sich aber bewusst sein, dass das eine für Touristen erschaffene Welt ist.
Nachdem ich mich also vergangenes Jahr in Makadi erst mal ausgeschlafen hatte, lernte ich – auf der Suche nach einem weiteren Buch, dass ich lesen könnte – Mahmoud Nor kennen. Mahmoud hat in Makadi einen Souvenir Shop. Wir kamen ins Reden, als ich ihn nach dem Buchladen fragte. Und aus der einen Frage wurden hinterher viele Stunden Gespräch. Wir philosophierten über die Welt, Politik, Religion, Glaube, unsere Ziele und Wünsche, die Rollen von Männern und Frauen – über Gott und die Welt.
Ich hatte schon während meiner Meisterprüfung eine Muslima kennengelernt, die meine Sicht auf den Islam und Moslems im allgemeinen sehr verändert hatte. Fundamentalisten gibt es im Christentum genauso, wie eben im Islam. In Mahmoud lernte ich nun einen Mann Anfang 30 kennen, der in Ägypten, im Islam aufgewachsen ist und auch in den ägyptischen Traditionen stark verwurzelt ist. Entgegen verbreiteter Vorurteile fand ich mich vor einem interessierten Freigeist.
Dieses Jahr haben wir uns quasi für meinen Urlaub „verabredet“. Ich bat Mahmoud, er möge mir „sein Ägypten“ zeigen. Nicht das, was man Touristen zeigt. Ich wollte weg von der „Mamsha“ – der Touristen-Flaniermeile – und in die kleinen Gassen, ägyptischen Restaurants, ins „echte Leben“.
Der optische Eindruck schockiert. Was hier „Straße“ heißt, kenne ich aus Deutschland als schlechten „Forstweg“. Alles wirkt improvisiert, an jedem Gebäude hängen irgenwelche Kabel herunter. Es wird sich mit Plane beholfen, wo ein Stück Dach fehlt. Irritierender Weise hatte ich aber nicht das Gefühl, dass sich die Menschen als „arm“ empfinden. Mitten in der Stadt steigt man über halb abgebrochene Gebäude hinweg. Müll landet einfach auf der Straße. Die Autohupe ist – genauso wie das Licht und der Blinker – Kommunikationsmittel. Man ist umgeben von einem Hupkonzert und es wird in einer Tour auf- und abgeblendet. Man fährt nicht zwingend mit Licht, nur weil es dunkel ist.
Und dann wieder ist der Umgang sehr freundlich. Der Sicherheitsmann wieß uns unglaublich zurückhaltend darauf hin, dass wir hier nicht parken durften. Wenn Menschen, die offensichtlich ärmer sind, anderen zum Beispiel anbieten, ihre Autoscheiben zu putzen, wird gerne etwas Geld gegeben. Nicht mit dieser „schleich Dich!“-Haltung, die ich oft in Deutschland erlebe. Ich hatte das Gefühl, der Umgang sei herzlicher.
Dann erfahre ich widerum, dass Ägypten sehr oligarchische Zustände hat. Diese „Oberen 10.000“ scheren sich einen Dreck um ihre Landsleute. Es fehlt an Wasseraufbereitungsanlagen, was dazu führt, dass es in Ägypten weltweit die meisten Menschen mit Nierenschäden gibt. Auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Der „Chef“ von El Gouna – einer sehr schönen Ferienanlage – legt großen Wert auf ein gute Miteinander und soll immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse seiner Leute haben.
Am Ende des Tages – bei näherer Betrachtung – schmelzen die Unterschiede immer weiter dahin: Ja, in Deutschland leben wir in einem sehr sauberen und an der Oberfläche luxuriösen Land. Doch nehme ich Gebäude, Straßen und Autos aus der Gleichung heraus: Es gibt in beiden Ländern Arbeitgeber, die ihre Angestellten als „Maschinen“ sehen. Es gibt in beiden Ländern Menschen, die Ihren Job nur erledigen, weil sie müssen und jeder Zeit die Chance nutzen „für nix“ Geld zu bekommen. Es gibt sowohl in Deutschland, als auch in Ägypten Männer, die ihre Frauen klein halten oder auf Händen tragen. Es gibt hier wie dort Karrierefrauen, liebende Väter, unvoreingenommene Menschen, Dummheit, Ignoranz, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft, Neugierde und gute Ideen.
Selbst die Frage nach der besten Medizin gegen Erkältung beantworteten Mahmoud und ich gleich: Eine Kanne Ingwertee mit ordentlich Honig.
Unterm Strich gibt es mehr Gleichklang als Unterschiede.
Unterm Strich ist es egal wie Dein Gott heißt, oder in welchem Land Du aufgewachsen bist.
Ich finde es bedauernswert, dass das Image von Ägypten so „ramponiert“ ist. Ja, es gab Attentate und Kämpfe – aber bitte, davor ist kein Land gefeit. Die Bilder, die wir in Deutschland sehen spielen sich in einem Bereich Kairos ab, den man vernünftigerweise meidet.
Ich kann aber weder bestätigen, dass die politischen Umstände noch die Religion oder die landesüblichen Sitten in irgendeiner Weise ein Problem darstellen. Von meiner Seite aus kann ich jedem Ägypten als Reiseziel ans Herz legen.