Abenteuer Poststreik – ein zauberhaftes Etuikleid
Wer erinnert sich nicht zurück, als im Juni 2015 die deutsche Post streikte? Pakete und Post kamen mit bis zu drei Wochen Verspätung an. Doch interessanter Weise wusste nicht jeder Bescheid – und so hatten wir einmal mehr einen echten Live-Krimi im Atelier:
Wir waren bereits damit beschäftigt für Ulla ein Ensemble bestehend aus Rock und Top für die Hochzeit ihres Sohnes zu fertigen, als sich zehn Tage vor dem großen Tag heraus kristallisierte, dass Tochter Lea auch noch ein Kleid benötigt. Zum Glück hatte Lea sehr genaue Vorstellungen, denn wenn die Zeit knapp ist, ist es wichtig, dass das Modell klar ist.
Es sollte ein klassisches Etuikleid sein, schön körpernah und bei den Beinen auch auf keinen Fall zu lang. Die größte Herausforderung war es, ein Material zu finden, was Leas Vorstellungen entsprach, dass es dann auch noch in der Farbe gibt, die sie sich wünschte.
Wir entschieden uns für einen blauen reinseidenen Marrocain – und bestellten den auch sofort. Das war Montag, der 22. Juni. In meiner E-Mail an den Lieferanten bat ich darum, mir mitzuteilen, wann der Stoff an uns versandt werden könnte. Diese Info bekam ich aber leider nie. Inzwischen fertigten wir aus einem günstigen Baumwollstoff eine erste Anprobe – sobald der Marrocain da sein würde, könnten wir zuschneiden und hätten bereits einen gut sitzenden Schnitt.
Es war dann der Freitagmorgen, als ich den Lieferanten erreichte und mich erkundigte, wo unser Packerl blieb. Der Stoff sei unterwegs, er solle bis Montag, aller spätestens Dienstag bei uns sein. Nun, der Stoff kam am Montag nicht an.
Am Freitag sollte das Kleid fertig sein… Mein Puls ging also nun bereits etwas schneller. Dienstagmorgen hatte mich der Lieferant erneut in der Leitung: Das Gespräch war sehr aufschlussreich, wenn auch wenig erfreulich: Hatte man im April noch per UPS versandt, ist man inzwischen auf DHL umgestiegen. Ahhh ja! Vom Poststreik hatte man in Hamburg noch nichts gehört. Und das bei einem Unternehmen, das vom Versand seiner Ware lebt.
Auch wenn der gute Herr Lieferant sich auf die online Sendungsverfolgung berief – „Da steht doch, dass Ihr Stoff noch heute Mittag geliefert wird!“ – sattelte ich mein Pferd um. Ich fühlte mich inzwischen wie im Kino kurz vorm Showdown.
Was sollte ich tun? Das erste Mal in 16 Jahren Selbständigkeit der Kundschaft kundtun, dass ich nicht fristgerecht liefern kann?
Nein.
Vielleicht kann Italien, was Hamburg nicht auf Kette bekommt?
Also hatten mich die Kollegen von Taroni in der Leitung. Normalerweise bestellen wir bei Taroni per Vorauskasse. Doch das war zeitlich nun wirklich nicht mehr drin. Ich appelierte an Vertrauen und Kollegialität und damit reichte für diesen Notfall der Beleg der Online Überweisung aus.
Am Mittwoch um zehn Uhr lieferte UPS die Stoffrolle aus Italien – Danke Taroni!
Am Mittwochnachmittag um vier kam Lea zur zweiten Anprobe vorbei. Yeah! Wir hatten ganze Arbeit geleistet! Wir taillierten lediglich noch etwas nach.
Das letzte Abenteuer war Leas Wunsch, dass sich Swarowski-Steine entlang des Ausschnitts ergießen sollen, als wären sie ihr über die Schulter gekippt worden. Per se kein Problem, aber: Wir hatten nur eine Chance. Denn die „Flat-back-hot-fix“ werden auf den Stoff geschweißt.
Wer gegen den Poststreik gewinnt, bekommt auch Swarowski-Steinchen wunschgerecht aufgebracht.
Am Donnerstagnachmittag stand eine strahlende Lea in ihrem zauberhaften Etuikleid vor uns.
Der Puls hatte sich wieder normalisiert.
Ende gut – alles gut 🙂