„Young Tailors“ – ein Tag voller Inspiration
Montagmorgens ging es gemütlich los. Alle 23 Maßschneider trudelten ab neun Uhr im „Fashion House“ ein. Begonnen wurde mit einer Vorstellungsrunde, die dann aber auch den ganzen Vormittag ausfüllte.
Jeder von uns brachte ein Stück mit, dass er gearbeitet hatte und erzählte über sich, seinen beruflichen Lebensweg, seinen Vorlieben und seinen Erfahrungen. Ich weiß nicht, ob es für Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, interessant ist, aber es ist mir ein Anliegen Ihnen zumindest einige der Kollegen vorzustellen, deren Bekanntschaft ich dank Matthias Rollmann gemacht habe.
Da war zum Beispiel Georg Staber aus Riedering. Riedering liegt südlich von Rosenheim – also im tiefsten Bayern – und genauso klingt Georg auch. In der Schneiderei Staber wird nicht nur Anlasskleidung für den Herren hergestellt sondern auch viele Trachtenanzüge. Jede Jacke wird hier lose verarbeitet. Die Einlagen werden also nicht verklebt, sondern von Hand angeschlagen. Drei Auszubildende, ein Geselle und eine Meisterin unterstützen Georg den Aufträgen Herr zu werden. Immerhin ist Georgs Auftragsbuch bis Mai 2016 gefüllt. Ein super sympathischer Kollege, der nicht nur ein guter Herrenschneider ist, sondern auch das richtige Gefühl fürs Marketing und den Kunden mitbringt.
Stark beeindruckt hat mich auch Patrizia Fürnkranz-Markus, die unter dem wohlklingenden Namen „pollsiri“ in Wien tätig ist. Bereits seit 26 Jahren ist Patrizia unter eigener Flagge aktiv. Mit nur drei Mitarbeitern stemmt Patrizia nicht nur ihr Maßatelier sondern bringt jedes Jahr zwei Kollektionen auf den Laufsteg. Zusätzlich stattet sie Firmen mit CI-Bekleidung aus. Zudem ist Patrizia die Innungsobermeisterin in Wien. Chapeau!
Scheinbar hat der Tag in Wien 48 Stunden 🙂
Der Stil von „pollsiri“ ist klassisch, elegant mit dem gewissen Extra. Patrizia hatte für uns ein Kostüm dabei – mich begeisterte das kleine silbergraue Schleifchen, dass in dem schwarzen Futter die hintere Mitte auf Taillenhöhe zierte. Da bedarf es keiner Frage mehr: Patrizia Fürnkranz-Markus ist von ganzem Herzen Maßschneiderin.
Anja Lewin arbeitet seit vier Jahren selbständig in Hamburg. Die Hälfte der Zeit unterrichtet sie an der Gewandmeisterschule. Wir hatten gleich ein gemeinsames Gesprächsthema: Eines ihrer aktuellen Projekte ist die Anfertigung des Joker-Kostüms, das Heath Ledger im Batman Film „The Dark Night“ trägt. Und mit solchen Kunden kennen wir uns auch aus.
Anja erzhälte von der aufwendigen Suche nach dem passenden Material, der Problematik von Fotos und Filmausschnitten den exakten Schnitt abzukupfern und den Schwierigkeiten, die die „Übersetzung“ auf eine andere Proportion mit sich bringt.
Was mich am meisten begeisterte an diesem Tag? Keiner musste erklären, warum wir lose Verarbeitung bevorzugen. Niemand kam in die Situation sich für 50 Stunden Arbeit an einer Jacke zu rechtfertigen. Wir konnten sogar Erfahrungen mit einzelnen Lieferanten teilen.
23 Menschen, für die die Maßschneiderei nicht nur Beruf, sondern auch Berufung ist. Uns eint das Wissen, dass wir als Maßschneider mehr sind, als der studierte Designer. Wir wissen genau, wieviel Liebe, Hingabe, Know How und Können es bedarf eine Jacke perfekt zu gestalten, einen Kunden glücklich zu machen und nicht zuletzt mit unserer eigenen Leistung zufrieden zu sein.
Ich bin auch heute noch – fünf Tage später – regelrecht elektrisiert von der Energie, die sich in so einer Gruppierung aufbaut. Ich freue mich schon jetzt darauf, die eine oder den anderen Kollegen zu besuchen. Und ich hoffe, dass wir uns unter den Fittichen von SCABAL spätestens nächsten Oktober wieder sehen.