Wenn kleine Mäuse groß werden…
Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, da besorge ich für meine Auszubildenden Etiketten mit ihrem Namen. Denn wer näht und seine selbst angefertigte Garderobe trägt, soll auch mit Stolz zeigen können, woher selbige stammt: aus der eigenen Hand.
Dieses „Geschenk“ ist nicht ganz uneigennützig. Die Maßschneiderei ist eine Handwerkskunst, die sich mit dem Erlernen eines Instrumentes vergleichen lässt. Wer Klavier spielen möchte, übt über Stunden hinweg Tonleitern und spielt sogenannte „Etüden“ – Übungsstücke für die Fingerfertigkeit. So ist das auch bei uns. Nur neben unserer Finger müssen wir vor allem auch unseren Geist trainieren. Das „3-D-Denken“. Das Verstehen, in welcher Reihenfolge gewisse Dinge gemacht werden müssen, damit man hinterher aus einzelnen Schnittteilen ein ganzes Kleidungsstück erhält.
Solange eine Person im Raum ist, die dieses Denken bereits beherrscht, neigt man dazu den eigenen Kopf abzuschalten und sich kurzer Hand Hilfe zu holen. Doch hat ein anderer die Lösung erdacht und man geht den bereits beschrittenen Weg nach, bleibt wenig hängen. Oft wird nur repliziert. Mimikry.
Um die Schneiderei zu beherrschen muss man ganz alleine mit den Herausforderungen kämpfen, die sich einem stellen. Selbst denken. Ausprobieren. Umsetzen. Im Notfall eben wieder auftrennen und nochmals versuchen.
Jedes Stück, dass ich in meinem Leben angefertigt habe – oder in die Hände meiner Mädels gab – habe ich, bevor es „Realität“ wurde, bereits „im Kopf“ zusammen genäht.
Nun ist der eigene Name im Kleidungsstück ein wunderbarer Ansporn mehr solcher Kleidung zu besitzen. Und diese Kleidung entsteht alleine, ohne Anleitung anderer, in Eigenregie. Und weil das eine doch so schöne Sache ist, wurde mir dann von Barbara auch ganz stolz ihr erstes Kleid mit eigenem Etikett gezeigt…