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Wenn aus „online“ „offline“ wird

foto by spatzlfotografie

Matthias Delay kenne ich virtuell schon seit Januar 2005. Damals war noch „openBC“ was heute „xing“ ist. Später trafen wir uns auch auf Twitter und Facebook – immer mal wieder verlinkte mich Matthias, wenn jemand aus seinem Netzwerk eine Maßschneiderin suchte oder ich kommentierte einen seiner Beiträge.
Vor zwei Jahren bekam ich dann mit, dass Matthias beim „Distinguished Gentleman’s Ride“ dabei ist. Eine sehr coole Aktion, die der Spendensammlung dient. Das Geld kommt der Prostata-Krebs-Forschung zu Gute. Und das Format ist auch wunderschön: Die Idee ist, dass sich alles, was zwei Räder hat in edlen old-school Zwirn schmeißt und dann durch die Stadt cruist. In Zürich waren das über 400 Motorrad-Fahrer!

Ich finde es zum einen große Klasse, wenn Menschen sich für gute Dinge engagieren – und wenn es dann auch noch so schööön gemacht ist. Hach! Das spricht halt genau meinen Geschmack an. Ich habe also sehr begeistert mein Scherflein dazu gegeben und fand es einmal mehr schade, dass ich keinen Motorradführerschein habe…

Mein Vater hat mich schon in jungen Jahren liebevoll „genusssüchtig“ gescholten. Das bedeutet auch, dass ich Dinge einfach mal mache, auf die ich Lust habe. Sehr viel Freude macht mir die Zusammenarbeit mit Menschen. Und so war es ja irgendwie klar, dass ich meine online-Bekanntschaft mit Matthias jetzt mal ins reale Leben integrieren musste. Wenn ich nicht selbst bei einer so großartigen Sache dabei sein konnte, wollte ich das wenigstens mit meinen Kompetenzen begleiten 🙂

Ich schrieb Matthias also an, wie er denn zu seinem Outfit für den Gentleman’s Ride kommen würde, ob er Lust auf was Neues hätte und ob da nicht meine Profession eine Hilfe wäre. Matthias ist nicht nur online eine coole Socke, er ist es auch in Realitas.
Zeitlich ließ sich das auch wunderbar einloggen, da ich eh mit Thomas Adorff & Co ins Tessin wollte. Ein kleiner Abstecher nach Zürich stellte kein Problem dar.

Unser Aufeinandertreffen war ein bisschen eigenartig: Ich meine, ich habe Matthias ja noch nie zuvor von Angesicht zu Angesicht gesehen. Wir hatten kurz vorher mal telefoniert um ein paar Termindetails klar zu bekommen – und das Telefonat war schon so… „gewohnt“. Ich stand also vor Matthias und es fühlte sich an, als hätten wir vergangene Woche das letzte gemeinsame Bier getrunken. War echt klasse!

Wir guckten uns also gemeinsam Stoffe und Ausstattungsdetails an, ich habe Matthias Maße notiert und lernte auch noch Freundin Claudia sowie den Pflegehund kennen. Super herzlich, super nett, einfach scheee!

Da wir ja ein ganzes Jahr Zeit hatten – am 2016 Gentleman’s Ride konnte Matthias aus beruflichen Gründen nicht teilnehmen – hing das Outfit dann auch einige Zeit bei uns im Atelier. Ein weiterer Schweizer Auftrag brachte dann im April 2017 den perfekten Anlass erneut in Zürich vorbei zu gucken.

Unsere Herrenanzüge machen wir zu 95% in Maßkonfektion. Das bedeutet, ich nehme einerseits einige Körpermaße (direkt am Körper mit dem Maßband abgenommene Strecken), andererseits überprüfe ich meinen „Anzug-Grundschnitt“ indem mein Kunde in einen nach diesem Schnitt angefertigten Anzug hinein schlüpft. Mit Hilfe dieses Schlupfmodells kann ich sehen, ob die Schulterschrägung im Schnitt, mit der des Kunden übereinstimmt. Ich kann sehen, ob die Balance des Sakkos und der Hose, der meines Kunden entspricht. Und vieles mehr.
Das sind Dinge, die ich nicht messen kann. Bei einem Vollmaß würde ich zuerst ein Probestück aus Nessel arbeiten, bei dem ich nur die Außenhaut zusammen steppe um diese Dinge zu überprüfen. Da ich aber einen „fertigen“ Anzug nutze und keine Nessel-Probe, kann ich tatsächlich genauer sehen, was ich am Schnitt verändern muss. Eine Nessel-Probe ist recht rudimentär, da sie nicht „verarbeitet“ sondern „nur zusammen gesteppt“ ist. Daher brauche ich beim Vollmaß auch mehr Anproben, als bei der Maßkonfektion.

Bei unserem zweiten Treffen war das ganze Outfit nämlich schon fertig gestellt: Hose, Hemd, Weste, Sakko und die passenden Hosenträger.
Die Weste saß tadellos. An der Hose machten wir den Bund noch etwas enger und am Sakko reduzierten wir noch ein wenig die Brustbreite. Gerade schmal am Körper gearbeitete Anzüge können oft am sogenannten Armausstich noch etwas schmaler gearbeitet werden. Warum ich da nicht gleich im Schnitt wegnehme? Hier nach Fertigstellung noch auszuschneiden ist vielleicht lästig, aber möglich. Wenn ich an dieser Stelle jedoch zuviel weggenommen habe, kann ich das Sakko komplett in die Tonne treten. Nein, keine gute Idee.
Ach ja das Hemd taillierten wir auch noch etwas an.
Also in Summe alles recht überschaubar und easy.

Am 24. September 2017 war es dann so weit: Der „Distinguished Gentleman’s Ride“ rollte wieder durch unzählige Städte der Welt. Und Matthias gehörte sicher zu den „most distinguished gentlemen“ die beim Ride dabei waren 🙂

Foto: Harry Rutschmann

Tags: Anfertigung, Anzug, Auftrag, Auftragsarbeit, Hemd, Kunden, Maßanfertigung, Maßarbeit, Outfit