Unser erstes Abendkleid für den Wiener Opernball
Bereits im Jahr 2011 haben wir Helena ein Kleid für das Schlossgartenfest nähen dürfen. Helena erschien mir damals zufrieden, dennoch hörten ich nichts mehr von ihr. Anfang 2018 saß sie dann plötzlich wieder in unserem Atelier. Aber gar nicht, weil sie ein neues Anliegen gehabt hätte. Nein, laut eigener Aussage sei sie mit ihrem Kleid aus 2011 so happy, dass sie gar kein anderes mehr tragen möchte! Aber – so fuhr sie fort – ihre Freundin Ursula, die bräuchte nun auch ein so wunderbares Abendkleid. Und zwar für den Wiener Opernball. Ursula hatte sie natürlich auch gleich mit gebracht 🙂
Wow! Das sollte also mein erstes Kleid für Wien werden!
Und das ganze auf Grund einer zufriedenen Kundin, die uns seit siehben Jahren positiv im Hinterkopf mit sich trägt. YESSS!!! So soll das sein! 🙂
Ursula ist für uns eine ganz klassische Lieblingskundin: Eine Frau, die ihren Stil hat. Die nicht der Mode nach rennt. Eine Frau, die Wert auf Qualität legt und lieber mit Details punktet, als mit dem fünfhundersiebenundzwanzigsten Glitzersteinchen auf ihrer Garderobe.
Wir drei Frauen saßen also im Anprobenraum und schmökerten Stoffe. Das erste Mal bei einer Maßschneiderin! Was man denn genau wolle? Ob man denn hinterher wirklich das Kleid hätte, was perfekt zu einem passt? All das sind so Fragen, die auch Ursula durch den Kopf gingen. Und sie war sich noch gar nicht sicher, wie das Kleid denn aussehen sollte.
Doch dafür gibt es doch auch mich.
Da klar war, wo es hin gehen sollte – war schon mal die Saumlänge geklärt: lang. Bodenlang. Bei der Farbe war sich Ursula sicher: ein schönes dunkles aber kräftiges blau sollte es sein.
Dann gibt es immer diese kleinen Fragen: Wie macht man aus einem Kleid ein ganz besonderes? Wie gestaltet man den Schnitt, dass er schmeichelnd wie bequem ist?
Und trotz all der vielen Stoffmuster und Möglichkeiten, geht es meist ganz schnell: Die Wahl fiel auf einen Marrocain. Eine Seide, die so weich wie Wolle ist, aber eben doch Seide. Wundervolles Material!
Als nächsten Schritt entwickelten wir gemeinsam den Schnitt: Damit Ursula ungehindert ausschreiten kann, würde das Kleid Kellerfalten entlang der Beine bekommen. Das Oberteil sollte figurnah gearbeitet sein. Dann ergibt sich schnell die Frage, ob man eine Empirenaht legt und diese mit einem Band betont.
Zeitgleich arbeiteten wir an einem zweiteiligen Abendkleid für Sybilla. Die hatte sich einen blauen Seiden-Samt ausgesucht, der im Unterstoff fuchsiafarbene Fäden verwebt hatte. Dadurch changiert der Samt ganz wunderbar. Diesen Samt holte ich dazu: Der passte perfekt zum Marrocain. Und aus diesem Samt sollte auch das Band werden, dass die abtrennende Naht zwischen Rock und Oberteil deckt.
Diese Bänder haben es immer in sich. Am besten arbeitet man sie in schrägen Fadenlauf, dann gehen sie mit der Körperform mit. Doch wie bekommt man dieses Band rundherum gleich breit hin? Und das ganze noch bei einem Seidensamt, der mit Vorliebe schiebt und sich nicht legt, wie man es will. Schrägzüge sind also vorprogrammiert!
Die Lösung hieß hier Handarbeit: Wir nahmen einen Schrägstreifen stabiles Roßhaar und legten darum den Schrägstreifen Samt. Die Kanten wurden am Roßhaar angeschlagen. So konnte ich den Samt so hinlegen und annähen, dass es keine Schrägstreifen gab – das Band durch das stabile Roßhaar dabei exakt gleich breit blieb.
Dieses Band wurde dann mit der Hand auf das Kleid genäht und auch am Reißverschluss oben aufgenäht. Es läuft also nicht mit in den Reißverschluss hinein. So war auch hier sicher gestellt, dass das Band auf beiden Seiten des Reißverschlusses sich auf exakt der gleichen Höhe trifft.
Nach innen haben wir das Kleid mit blauer Viskose abgefüttert. Viskosefutter ist auf der Haut einfach am angenehmsten und zudem ist es sehr langlebig.
Was im Marrocain immer eine Herausforderung ist, sind Säume. Doch auch das gelang uns hier sehr, sehr gut!
Das ergebnis ist ein elegantes, zeitloses Abendkleid, dass vor allem durch die Qualität der Stoffe und eine exzellenten Passform besticht.
Das Kleid ist übrigens am Rücken hoch geschlossen. Ursula ist nur schmaler als unsere Puppen. Ich bekam den Reißverschluss einfach nicht zu 😉