Typ-Beratung – oder so…
Mit diesem Begriff und seiner ganzen Familie, kann man mich jagen. „Typ-Beratung“, „Farb- und Stil-Beratung“, „Styling“… Das sind Begriffe, mit denen ich mich unwohl fühle.
Das liegt vor allem an der Verknüpfung, die in meinem Kopf damit einhergehen: In der Farb- und Stil-Beratung werden Menschen in mehr oder minder vier Typen kategorisiert. Natürlich sind die Ergebnisse nicht „falsch“, natürlich können diese Menschen die ihnen zugeteilten Farben gut tragen. Dennoch. Zu eng, zu unflexibel, zu wenig individuell.
Ich bekomme von „Opfern“ solcher Beratungen dann Farbfächer vorgelegt, an die ich mich penibelst zu halten habe. Dummsinn.
Ich gehe dieses Thema von einer ganz anderen Seite an. Ich habe kein wissenschaftliches Gitter, in das ich meine Lieblingskunden zwängen muss. Ich beobachte mein Gegenüber, registriere die Art der Bewegung und höre vor allem zu. Denn jedem steht das Outfit am besten, in dem er sich maximal wohl fühlt.
Nur wenn wir uns wohl fühlen, können wir uns auch sicher fühlen. Und nur wenn wir uns sicher fühlen, fühlen wir uns wohl. Also nützt der schönste Farbfächer nichts, wenn die Person der ein schreiendes Rot steht, sich damit unsicher fühlt, weil sie plötzlich so „sichtbar“ ist.
Form follows function.
Ein Prinzip, das auch im Kleiderschrank berücksichtigt werden kann und soll. Ich denke hierbei nicht an die Arbeiterhose für den Kollegen Elektriker. Die Menschen, die zu uns ins Atelier kommen, suchen keine Kleidung gegen Nacktheit. Sie haben eine Situation im Kopf, für die sie sich die passende Kleidung wünschen. Denn Kleidung ist Kommunikation. Auf eine Hochzeit geht man im Normalfall mit eleganter Kleidung. Damit drücke ich aus, dass es mir eine Ehre ist, an diesem außergewöhnlichen Tag Gast sein zu dürfen und feiere so das Brautpaar.
Folglich will ich von meinen Kunden zu erst einmal wissen, für welchen Anlass sie sich das Outfit wünschen. Die nächste Frage ist, was der Träger ausdrücken will. Möchte der Herr in seinem Anzug kompetent, aber eher zurückhaltend wirken? Möchte er sofort auffallen, in dem wir die ungeschriebenen Gesetzte der Anzugswelt bis an ihre Grenzen ausnutzen? Oder soll der Anzug dem Gegenüber klar machen „Anzug ist zwar die Garderobe, die zur Situation passt, aber ich mag´s aber sportlich, léger.“?
All diese Aussagen lassen sich durch die Wahl von Material, Schnitt und Ausstattung hervorragend transportieren.
Und was macht ein Kleidungsstück, dass die Botschaft sendet, die der Persönlichkeit des Trägers entspricht? Es ist authentisch. Dass die Garderobe, die wir fertigen eine super Passform hat, ist dabei selbstverständlich.
Nun weiß der Träger, Optik, Qualität und Passform sind klasse. Folglich fühlt er sich wohl, fühlt sich sicher und braucht sich über seine Garderobe keine Gedanken mehr zu machen. Wunderbar! Somit wird im Hirn viel Platz für anderes frei 🙂
Meine „Beratung“ ist also keine, in der ich dem Kunden etwas vorkaue. Meine Aufgabe ist meinem Gegenüber zu spiegeln, wer er ist und wie er seine Persönlichkeit am Besten zum Ausdruck bringen kann. Ich bin in dem Moment Beobachter, Analyst und Therapeut. Ein Outfit mit einem Kunden zu entwickeln ist wie ein Puzzle. Das Ziel ist meinem Kunden Sicherheit und Freiheit zu geben, kein Korsett, keine strikten Vorgaben. Denn jede Situation, jede Botschaft und jeder Mensch fordert einen eigenen Entwurf.