Traditionell oder Modern?
Heutzutage werden Dirndl und Co mal schnell mit dem Titel Trachtenmode versehen. Doch viele wissen die ursprüngliche Bedeutung von „Tracht“ nicht:
„Der Begriff Tracht wird im Allgemeinen für traditionelle und historische Kleidung oder Teile davon gebraucht. Die Tracht ist die traditionelle Kleiderordnung einer bestimmten Region, eines Standes oder der Angehörigen einzelner Bevölkerungsgruppen, z. B. Ethnien (Volksgruppe) oder Berufsgruppen.“
Spricht man hingegen von Dirndl und Lederhose für die Wies‘n sollte man den Begriff Landhausmode benutzen.
Auch mich hat die Landhaus- und Trachtenmode längst eingeholt und ich bin von der Vielfältigkeit und den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten total begeistert. Glücklicherweise hatte ich in den letzten Wochen gleich zwei Aufträge, mit denen man perfekt den Unterschied zwischen Trachtenmode und Landhausmode erklären kann.
Das erste Modell ist ein Trachtenjanker, jedoch sehr modern interpretiert. Das passte gut, denn der Träger ist erst 14 Jahre alt. Als mir seine Mutter den Hauptstoff für den Janker zum ersten Mal zeigte, war ich sehr skeptisch, denn es war ein blaugrauer Feincord. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Jugendlicher darin gut aussehen kann und wollte eigentlich einen schönen Sommerloden nehmen. Zum Glück waren meine Kunden sehr hartnäckig und schlugen vor den Cord mit einem bunten Schottenkaro zu kombinieren. Langsam war ich von der Idee überzeugt und schneiderte los. Der Janker ist wie ein Sakko geschnitten, hat aber die typischen Jankerelemente, wie zum Beispiel ein Revers, das mit Knöpfen festgehalten wird und einen kleinen Stehkragen. Außerdem wurden Schulterklappen und Leistentaschen aus dem Karo gearbeitet. Für den Landhausmoment sorgen echte Hornknöpfe. Embleme die an der Brust und am Rücken aufgenäht sind, geben dem Janker noch einen leichten Uniformtouch.
Das erste Modell zählt klar zur Landhausmode und hat die Absicht einen modischen Trend zu setzen. Eine Fränkische Tracht, wie ich sie für eine weitere Kundin angefertigt habe,hat die Funktion die Tradition, das Brauchtum und den Glauben einer Gemeinde oder eines Volkes zu repräsentieren. Wichtig dafür sind Form, Farbe und zur Tracht abgestimmte Accessoires. Die Tracht in ihrer ursprünglichen Bedeutung hat nicht die Aufgabe ein modisches Statement zu setzen.
Meine Fränkische Tracht ist in Lilatönen gehalten. Das Oberteil besteht aus einem Baumwollstoff mit Trachtendruck, das durch einen changierenden Taft an Arm- und Halsausschnitten abgesetzt ist. Durch Teilungsnähte an Brust und Rücken wird das Trachtenmieder auf Form gebracht. Der angesetzte Rock wurde in Falten gelegt. Geschlossen wird die Tracht mit einem Reißverschluss an der Seite. Das Oberteil ist mit einem Baumwollbatist abgefüttert. Komplettiert wird das Outfit mit einer Schürze aus dem Taft des Oberteils. Die Schürze hat nicht, wie eine Dirndl-Schürze, Bindebänder, sondern wird an der Seite mit Druckknöpfen geschlossen.
Ob Tradition oder Moderne, ich finde beide Seiten toll. Wem was besser gefällt, muss jeder selbst entscheiden. Ich nähe jedenfalls alles!