Semper Opernball – das Abendkleid
Der Semperopernball ist das deutsche Pendant zum Wiener Opernball. Vielleicht nicht ganz so groß, aber wirklich, wirklich toll. Woher ich das so genau sagen kann: Ich war dort. Und das ist eine längere Geschichte.
Günter Laurer ist ein lieber Bekannter, mit dem ich eine Leidenschaft teile: Im Straßencafé beim Eis sitzen und Leute beobachten. So haben wir uns gerne in den vergangenen Sommern die Zeit vertrieben. Günter ist ein großer Fan des Semper Opernballes, den er und seine Gattin Hanna schon mehrfach besucht haben. Günter erzählte mir immer in den schillerndsten Farben wie schön es dort sei und wie das mit den Damen und der Ballzeitung läuft. Von ca. 1.200 Damen werden nämlich 30 in der Ballzeitung abgelichtet. Und dabei geht es nicht um die Stars und Sternchen, sondern tatsächlich um die schönsten, ausgefallensten Kleider des Abends. Die Damen sind ganz scharf drauf in diese Zeitung zu kommen…
Günter fragte mich auch, ob ich Lust hätte mit zu kommen. Doch da er für 2016 nochmal Logenkarten erwerben wollte, hatte ich ihm dankend abgesagt. Das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. Für das Geld könnte ich auch Hanna ein Kleid nähen. Dann kommt sie in die Zeitung und wenn dann für 2017 alle bei mir ihre Abendroben bestellen, kann ich mir auch die Loge leisten.
Das war im Sommer so dahin gesagt… irgendwann kurz vor Weihnachten machten wir dann einen Deal: Ich nähe Hanna ein Kleid und wenn sie damit nicht in die Ballzeitung kommt, kostet es ihr nichts – Dann bin ich eben nicht so gut, wie ich immer behaupte 🙂
Hanna ließ uns komplett freie Hand bei der Gestaltung der Abendrobe. Farbe, Material und Schnitt lagen ganz in unserem Ermessen. Cool!
Wir beratschlagten im Team, was für Farben zu Hanna passen und welchen Schnitt wir uns vorstellen können. Dafür wurde im Internet und in unseren Modebüchern gestöbert und so setzte sich langsam aus verschiednen Puzzelstücken meine Vorstellung von Hannas Kleid zusammen. Am Ende entschied ich mich für eine perlenbestickte Spitze in dunklem fuchsia. Keine Ahnung, wie man diese Farbe exakt beschreiben soll. Es ist nicht lila, nicht mauve, für fuchsia zu dunkel, aber eben wunderschön. Dazu kombinierte ich passend einen Organza für den Rock und eine Wildseide für die Korsage und als Farbklecks brauchte ich noch einen weiteren Organza – in rosé.
Zur ersten Anprobe hatte ich lediglich die Korsage aus Baumwolle zusammen gesteppt. Erste Anproben aus Baumwolle haben den Vorteil, dass man einfach auf der Baumwolle mit einem Edding herum zeichnen kann. So wird vieles für den Kunden sichtbar, ohne dass man wertvolle Seide zerstört. Nachdem Hanna die Farbe und die Materialien abgesegnet hatte, hieß mein nächster Auftrag: Ein Modell vom Rock anfertigen. Ich wusste, das wird eine Materialschlacht, daher benötigte ich – ähnlich einem Architekten – ein maßstabsgetreues Muster. Meine Thermoskanne wurde zum Mannequin 🙂
Und dann ging es los: Das Innenleben für die Korsage wurde gesteppt, die Wildseide, mit der die Korsage überzogen werden sollte und natürlich auch der Rock. Dieser besteht aus sechs Organze-Halbkreisen, die am Saum einen 16 Zentimeter breiten Streifen aus dem rosé-farbenen Organza aufgearbeitet bekamen. Da in einem Kreisteil der Stoff an den meisten Stellen schräg läuft, muss man sehr gut aufpassen, dass man den Stoff nicht verzieht. Einmal verzogen angenäht, erzhält man hässliche Schrägzüge in der Blende.
Innerhalb von zweieinhalb Manntagen hatten wir den Rock und die Korsage selbst fertig. Doch wie da nun die Spitze drüber ziehen? Dummerweise hatte ich in der ersten Anprobe lediglich die Korsage anprobiert. Ich hatte keine Ahnung, wie sich Hannas Körper rund um die Schulter verhält. Also nochmal eine Anprobe eingeschoben und das, was später aus Spitze sein sollte, aus Baumwolle vorbereitet.
Jetzt konnten wir die Spitze zuschneiden und arbeiten. Die Schulternähte schlossen wir mit französischen Nähten, eine Nahtvariante, die sich selbst versäubert. Als nächstes setzten wir die Ärmel ein und fassten die Armlöcher mit Organza ein. Im Anschluss wurden die Ärmelnähte und die obersten sieben Zentimeter der Seitennaht ebenfalls französisch geschlossen. Da die Spitze eng mit Perlen bestickt ist, mussten diese zuvor im Nahtbereich mit dem Hammer zerstört werden. Würde man die Perlen abschneiden, würden sich auch die nächsten vier, fünf Perlen ablösen, da der Faden nun nicht mehr vernäht ist. Durch die Hammer-Methode, bleiben die folgenden Perlen fest vernäht.
Ab jetzt war das Kleid reine Handarbeit:
Magdalena fing an die Spitze auf der Korsage aufzuarbeiten. Wer Spitze ordentlich verarbeitet „haut“ da keine Nähte rein. Die Spitze wird entlang eines Musters aufgeschnitten, übereinandergelegt und dann hauchzart angestochen. Nennt sich dann „Haute Couture Spitzenverarbeitung“ 🙂 Das fordert auch jede Kante: Am Ausschnitt und am „Saum“ der Spitze – dort, wo das Oberteil in den Rock übergeht – wurden einzelne Spitzendetails ausgeschnitten und so aufgesetzt, dass die Kante „gefüllt“ ist. Zudem haben wir in den Ausschnitt ein Organzabändchen gestochen, damit dieser stabil bleibt. Die Spitze selbst würde sich endlos ausdehnen.
Weitere zwölf Stunden gingen für den Rocksaum drauf: Hier nähten wir ein sechzehn Zentimeter breites Krinolband ein. Auch hier die Gefahr das Band zu gedrängt oder zu gedehnt anzunähen. Alleine um das Krinolband zum ansteppen am Saum fest zu stecken benötigte ich 3,5 Stunden. Das Steppen ging relativ schnell, aber dann musste das Krinolband per Hand oben angeschlagen werden. 25 Meter Saum. Danke Magdalena für Deine unermüdliche, immer saubere Arbeit!
Nach 53 Stunden Arbeit war das Kleid also fertig – der Semper Opernball konnte kommen. Doch davon erzähle ich das nächste Mal. Stay tuned!