Noch bevor ich eine sichere Zusage für meinen Ausbildungsplatz von Susanne bekam, fragte ich sie dennoch, welche Möglichkeiten es gibt an Schneiderwettbewerben teilzunehmen.
Die erste Möglichkeit bot sich mir gleich vier Wochen nach Beginn meiner Lehre mit dem Bundeskongress der Maßschneider in Kiel vom 30.09. bis 02.10.2016. Neben diversen Workshops rund um das Nähen, gab es außerdem verschiedene Wettbewerbe mit unterschiedlichen Anforderungen. Als Azubi im ersten Lehrjahr durfte ich am Avantgardewettbewerb teilnehmen, bei dem sehr viel Wert auf Kreativität und Themenbezug gelegt wurde. Passend zum Austragungsort lautete das diesjährige Motto „Schiff ahoi!“

Schon im Vorfeld machte ich mir viele Gedanken zum Thema, das Wichtigste für mich: meinem eigenen Stil treu bleiben. Deshalb entstand letztendlich ein sehr reduziertes Outfit mit puristischen und futuristischen sowie maskulinen Zügen und klaren Linien.

Ich entschied mich für eine Bluse, die schnitttechnisch einem Herrenfrack ähnelte. Das Material der Bluse ist ein handelsüblicher, weißer Duschvorhang, wobei die typischen Bestandteile einer Damenbluse (Kragen, Knopfleiste, Manschetten) aus einem dunkelblauen Flachgratköper genäht sind und somit besonders hervorgehoben werden. Die Bluse wird mit handangenähten Druckknöpfen geschlossen. Zur Bewegungsfreiheit dient der hintere, verdeckte Schlitz.
Komplettiert wird das Outfit durch eine Marlenehose. Um eine Verbindung zwischen oben und unten zu schaffen, wurde hierfür der dunkelblaue Flachgratköper als Oberstoff verwendet. Die Hose hat seitliche Eingrifftaschen, Abnäher und Bundfalten, sowie einen angesetzten Bund. Die Hose wird mit einem nahtverdeckten Reißverschluss und einem Häkchen geschlossen. Des Weiteren wurden zwei Gallonstreifen aus Hanfseil per Hand angebracht und am oberen und unteren Ende mit Schlingstichen nochmals befestigt. Der Saum der Hose ist ebenfalls von Hand genäht.

Auf&nbps;den ersten Blick erkennt man nicht, was mein Outfit wirklich mit dem Motto zu tun hat. Man muss sich mit den Kleidungsstücken auseinandersetzen und die Aussage verstehen. Bluse und Hose sollen mit ihren maskulinen Elementen, nämlich der Frackähnlichkeit des Oberteils und der Gallonstreifen, an eine Kapitänsuniform erinnern. Der Duschvorhang ist das Pendant zu Ölzeug, der durch seine Dünne aber eleganter wirkt. Das gesamte Outfit wird durch ein Schiffchen als Kopfbedeckung ergänzt. Das Schiffchen soll den Betrachter an eine Kapitänsmütze denken lassen, dabei jedoch trotzdem feminin wirken.

Wie Ihr schon in dem Artikel von Susanne über den Bundeskongress lesen konntet, habe ich leider nichts Materielles, d.h. eine Medaille oder Ähnliches, gewonnen, dafür umso mehr tolle Erfahrungen, die die Richtigkeit meiner Entscheidung eine Schneiderlehre zu absolvieren nochmals bestärkt haben. Mein Outfit war im Gegensatz zur Konkurrenz einfach zu reduziert. Ich finde nach vier Wochen Lehre, war das trotzdem eine ordentliche Leistung. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Bundeskongress und die nächsten Wettbewerbe! Die nächste Möglichkeit bietet sich mir dann im kommenden Jahr bei der Bayerischen Meisterschaft.