Mit den „Young Tailors“ nach Brüssel
Nachdem im vergangenen Jahr Matthias Rollmann das erste „Young Tailors“-Treffen möglich gemacht hatte und dieses Treffen deutlich „sein Baby“ war, hatte ich erst Befürchtungen, dass mit dem Ausscheiden von Matthias bei Scabal, dieses Maßschneider-Treffen eine Singularität bleiben könnte. Umso mehr freute ich mich, als ich von Thorsten Rohkemper und Marcus Granzow Post bekam, dass auch in diesem Jahr ein „Young Tailors“-Treffen geplant war. Man setzte sogar was oben drauf: Scabal wollte nicht nur ein erneutes Treffen organisieren – wir wurden alle kurzerhand in das Hauptquartier von Scabal nach Brüssel eingeladen.
26 Kollegen und Kolleginnen aus Deutschland, Holland und der Slowakei pilgerten also in die europäische Hauptstadt. Darunter einige, die sich schon vom letzten Jahr kannten.
Dieses Mal war ich auch besser „vorbereitet“ und kam in aller Ruhe und ausgeschlafen an. Denn mit den Kollegen und Kolleginnen wir es eines immer sicher – nämlich spät!
Schon während meiner Zugfahrt begann das große Hallo. Via Facebook meldeten sich die ersten Kollegen, dass sie unterwegs seien oder sogar schon vor Ort. So war die Vorfreude doppelt groß.
Maro Beckert traf ich schon beim Einchecken an der Hotel-Rezeption. Später fanden wir heraus, dass nicht nur wir beide im gleichen Zug gekommen waren, sondern auch noch der Kölner Kollege Guido Willsch und Annelen Kaiser. Um 19 Uhr war dann offizielles Treffen samt gemeinsamen Abendessen. Jessas! Was für ein gackernder Haufen! 🙂
Sandro Dühnforth und Anja Lewin kamen mit Klaus Frech aus Hamburg. Sandro hatte ich bereits im Herbst kurz nach dem ersten Treffen in Hamburg besucht und freute mich sehr auf dieses Wiedersehen. Sandra Gronemeier und Mirja Killer hatte ich erst in Kiel auf dem Bundeskongress getroffen. Die beiden brachten die Kollegin Anke Kauls mit und sollten unser Party-Trio schlecht hin werden. Wo die drei Damen auftauchen ist garantiert gute Stimmung.
Auch Andreas Kiefer war wieder dabei. Ich verfolge den Rostocker Kollegen eifrig auf Facebook. Fachlich kompetent und in Sachen Marketing ganz vorne dabei, kann ich mir bei Andreas noch richtig was abgucken. Auch Marika Prusseit war wieder mit von der Partie. Und natürlich die „Bayern-Crew“: Georg Staber und Verena Rottensteiner, die dieses Jahr mit ihrem Bruder Joseph kam.
Neben den alten Bekannten gab es viiiiele neue wertvolle Kontakte: Die quirlige Karoline Doose, Myriam Gerber aus Baden-Baden, Andreas Hildebrand und Julian Weyand aus Stuttgart – zwei hoch interessante Kollegen! – Annelen Kaiser, Isabel Schwarz, Arune Elsmann und Evghenia Mirau – waren die, mit denen ich wenigstens mal fünf Minuten Zeit für ein Gespräch fand.
Natrülich endete der Abend nicht nach dem Essen. Jetzt ging es eigentlich erst los!
Wir zogen alle samt in die Stadt – zum Glück war unser Hotel zentrumsnah – und besiedelten eine Bar. Als wir auch hier „hinausgeworfen“ wurden, musste für die eine Hälfte eine weitere Bar gefunden werden, während die andere Hälfte ganz vernünftig die Betten aufsuchte. Die Gespräche in so einer Runde sind mannigfaltig: Es wird über die Branche gesprochen, Neuheiten, technische Probleme und Lösungen, Verarbeitung, Stoffqualitäten, Politik, Innungsgeschehen, Gesellen- und Meisterprüfungen, Berufs- und Meisterschulen, Ausbilder und Lehrer, Kunden und natürlich immer wieder das groooße Thema Marketing: Es gibt soviele Kunden, die einfach nicht wissen, dass es uns gibt. Doch wie erreichen wir die?
Wir erzählen uns von den glücklichsten Kunden und den unglücklichsten Fehlern. Den dollsten Ideen und des irrsten Denkfehlern. Und in einem Punkt sind wir uns alle einig: Wir haben den schönsten Beruf dieser Welt: Jeder Kunde, jeder Auftrag ist immer wieder eine neue Herausforderung. Jedes Mal gilt es auf anderes zu achten, eine neue Figur einzukleiden und einen anderen Charakter zu verstehen. Langweilig wird einem Maßschneider nie.
Halb acht Frühstücken kann erbärmlich früh sein. Doch wer feiern kann, der kann auch arbeiten. Dafür sind wir Handwerker.
Um kurz vor neun machten wir uns auf den Weg zu Scabal – auch dieses Mal konnten wir zu Fuß laufen. Tut auch gut, nach einer durchzechten Nacht 🙂 Dankenswerter Weise hatten unsere Gastgeber für durchgängige Verpflegung gesorgt, so dass sich gleich alle mit einer dampfenden Tassee Kaffee bewaffnen konnten. War die Vorstellungsrunde im Vorjahr das Herzstück des Treffens gewesen, fiel sie dieses Jahr deutlich kürzer aus. Viele kannten sich inzwischen eh. Und die „Neuen“ sind bereits am Vorabend beäugt und ausgefragt worden. Nein! Neugierig sind wir alle gar nicht 🙂
Der nächste Punkt unserer Tagesordnung führte uns hinter unbekannte Türen: Wir bekamen eine Führung durch das komplette Hauptquartier:
Wer sind eigentlich unsere Ansprechpartner im Haus? Mit wem telefonieren, e-mailen wir?
Wie funktioniert der Versand der Stoffe? Das abschneiden der bestellten Metragen?
Wo und wie werden die Stoffe gelagert?
Wie werden die Stoffbündel gemacht? Woher kommen die kleinen Stoffproben, die wir über die online-Stoff-Datenbank bestellen können?
Es trieb mir einen Gänsehaut-Schauer über die Haut, als wir das allererste Stoffbündel ansehen durften, dass Scabal 1938 herausgegeben hatte. Es hat die Nummer sieben, da die 7 für den Gründer des Weltkonzerns eine Glückszahl war. Das Archiv aus Bündel und Muster ist schwer beeindruckend!
Ich finde es auch sehr wegweisend, dass Scabl die komplette Anfertigung der Stoffbündel im Haus selbst macht. Kein „Outsourcing“ sondern kurze Wege, Fachkompetenz, Qualität und Flexibilität stehen hier im Vordergrund.
Nach einem üppigen Mittagessen – wie kann man nur vier verschiedene Nachspeisen anbieten? Ich musste sie ALLE essen! 🙂 – begleitete die erste Gruppe Neil Hart zu einem Treffen mit der Marketing-Chefin Virginy. Ein höchst spannender Vortrag über die PR-Aktionen von Scabal in den nächsten 18 Monaten folgte. Sehr interessant war für mich, dass nicht nur wir einen überraschend tiefen Einblick in die Vorhaben von Scabal bekamen, sondern dass auch Scabal großes Interesse daran hatte zu erfahren, wie wir werben und welche Erfahrungen wir mit welchen Mitteln gemacht hatten.
Im Anschluss gab es noch einen Einblick in die Stoffkollektionen Frühjahr/Sommer 2017. Eine echte „Sneak-Preview“! Die Bündel werden erst im Januar 2017 an die Scabal-Kunden versendet werden. Wir wissen heute schon, was uns an wunderbaren Materialien, Dessigns und Farben erwartet. Aber nicht nur das: Mit Michael Bay über seine Arbeit sprechen zu dürfen ist ein absolutes Privileg. Michael Bay ist seit über 30 Jahren der Stoffdesigner bei Scabal. Er alleine zeichnet verantwortlich für das, was das Haus Scabal ausmacht. Eine unglaubliche Leistung, die der drahtige Brite da erbringt!
Eine solche Zeit mit Kollegen und Lieferanten ist inspirierend, motivierend und wunder- wunderschön. Es mag übertrieben klingen, doch es ist tatäschlich mit einem kleinem Abschiedsschmerz verbunden, wenn sich die Truppe dann wieder in alle Richtungen verteilt…
Natürlich ging niemand ohne nicht mindestens einem Kollegen zu versprechen, ihn zu besuchen oder mindestens anzurufen. Und natürlich gab es auch bereits Pläne für 2017 – denn eines ist ganz klar: Wir kommen wieder! Scabal hat mit den „Young Tailors“ etwas in Bewegung gesetzt, dass eine neue Ära der Maßschneiderei einläutet: Vollblut-Handwerker, die sich in einem harmonischen Miteinander wechselseitig unterstützen. Selbständige, die darum wissen, dass man gemeinsam einfach stärker ist. Menschen, die ihren Beruf lieben und die Mission haben, unsere Handwerkskunst in die Welt zu tragen.
ps: Danke an Maro Beckert und Vera Grünwald für die Fotos!