Maßarbeit – Handmade in Germany
Nachdem mein geschätzter Kollege Sebastian Hoofs auf seinem Blog so herrlich frei von der Leber weg über die finanzielle Struktur seiner Arbeit geschrieben hat, fühle ich mich unter angenehmsten Zugzwang.
Ja, wir sollten über Geld reden.
Viel öfter, als wir das in unserer Gesellschaft tun.
Ich werde häufig für unsere Angebote bestaunt. Nicht, weil diese besonders hoch oder niedrig ausfielen, sondern weil ich mir damit viel Mühe gebe. Ich habe sehr früh lernen dürfen, dass heute nur wenigen Menschen klar ist, was ein Maßschneider eigentlich macht. Sätze wie „Kannst Du bitte mal schnell … nähen?“ muss ich ehrlicherweise meist mit „Nein.“ beantworten. Schnell ist nämlich nicht.
Mein Angebot ist also nicht nur die Information für einen Interessenten, wie hoch später die Rechnung ausfällt, sondern es hat auch Aufklärungscharakter: Neben einer Zeichnung des gewünschten Garderobenteiles und einer Prosa-Beschreibung, findet man auf den folgenden Seiten einen Arbeitsablaufplan. Hier liste ich auf die halbe Stunde runter gebrochen auf, was wir an Arbeitsschritten zu tun haben. Auf eine halbe Stunde heruntergebrochen heißt dabei, dass ich Arbeitsschritte die in 22 Minuten zu erledigen sind, aber auch solche, für die ich wohl eher 37 Minuten brauchen werde, als eine halbe Stunde ausgebe. Auch halte ich nicht jedes Mini-Detail schriftlich fest. Natürlich werden Nähte nach dem Steppen auch ausgebügelt.
Mein Ansinnen ist dem Leser klar zu machen, wieviele verschiedene Handgriffe nötig sind um zum Endprodukt zu gelangen.
Herrenschneider wie Sebastian Hoofs haben einen kleinen Vorteil den Damenschneidern gegenüber: So ein Anzug ist im Modell dem nächsten Anzug sehr, sehr ähnlich. Der Hosenanzug der Dame variiert erheblich mehr. Anstelle eines geknöpften Ärmelschlitzes kann da auch mal ein Aufschlag sein. Die Jacke kann mit einem Schößchen ausgestattet sein oder der Rücken mit einem Faltenteil aufgepeppt.
Für mich sind meine Angebote bindend. Das was dort beschrieben wird, fertigen wir an und rechnen es auch so ab. Sollten wir also für etwas länger brauchen, ist das unser Problem. Natürlich verändert sich die Rechnung, sollte sich während der Fertigung auf Wunsch unseres Kunden das Model ändern.
Zur Zeit arbeiten wir viele Hosenanzüge. Und diese traditionell handwerklich mit loser Verarbeitung und allem Pipapo. Damit Sie die Möglichkeit haben einen kleinen Einblick in unser Tun zu erlangen, gibt es an dieser Stelle also mal ein Angebot für ein Sakko zu sehen, das für eine Kundin verfasst wurde.
Ob sich dieser Aufwand lohnt?
Ich beantworte diese Frage nicht nur deshalb mit „ja“, weil ich Maßschneiderin bin, sondern, weil ich weiß, was für ein Gefühl es ist, maßgefertigte Kleidung zu tragen: Weil ich weiß, wie sich eine Jacke anfühlt, deren Armloch ordentlich schließt und weil mir konfektionierte Hosen meist Bauchschmerzen bereiten – im wörtlichen Sinne. Weil es gut ist völlig sicher zu sein, mein Kleid auf der Party kein zweites Mal zu sehen.
Viel besser wäre es, Sie würden unsere Kundinnen und Kunden befragen. Das Feedback, das wir bekommen, lässt darauf schließen, dass wir genau aus oben genannten Gründen so treue Kundinnen und Kunden haben. Es ist ein Stück Luxus, der am Ende auch noch Zeit und Geld spart und sich somit zu einer sehr vernünftigen Entscheidung relativiert. Warum? Das verrate ich Ihnen ein ander Mal 😉