Kleidung oder Kunst?
Als Maßschneiderin werde ich gerne mit einer Designerin verwechselt. Ich weise immer gerne darauf hin, dass ich aber nicht nur ein Kleidungsstück entwerfen kann, sondern es anfertigen kann und das ganze auch noch auf Maß. Die meisten Designer sind ungeübte Näher und von der Kunst der Maßarbeit haben sie seltenst etwas mitbekommen. Im Gegenzug können die Kollegen Designer besser zeichnen und sind immer auf dem neuesten Stand was Trends und Strömungen angehen.
Ein lieber Bekannter aus Berlin schickte mir vor einiger Zeit einige Links zum Projekt von Cameron Foden. Cameron kommt aus Südafrika. Aktuell studiert er an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen. Neben Zeichnungen und fotografischen Arbeiten, finden sich auf Camerons Internetseite Bilder seiner textilen Werke. Unter dem Titel „The clothing of the Guilty“ zeigt Cameron Hosen, Jacken und Hemden, die alle rein mit der Hand genäht sind.
Sein bevorzugtes Material ist Baumwolle – speziell Raw Denim für Hosen und Jacken. Dieser unbehandelte typisch blaue Jeansstoff wird von Cameron in stundenlanger Arbeit mit weißem Garn zusammen genäht. Da er für „The clothing of the Guilty“ keine Nähmaschine nutzt, sondern lediglich Handnähnadeln, ist es kein Wunder, dass diese Werke nicht eben mal so nebenbei bestehen. Seine Jeans „The trousers of Tom Robinson“ arbeitete Cameron in einem Zeitraum von drei Monaten – neben seinem Studium an der Kunstakademie. 105 Stunden seiner Freizeit wurde für dieses Stück investiert!
So weit, so verrückt.
Ich habe vollsten Respekt vor dieser Leidenschaft und Hingabe, die in Carmons Werken stecken – und bin der Meinung, dass es sich hier nicht mehr um Kleidung, sondern viel mehr um Kunst handelt. 105 Stunden für eine Jeans – das wären bei uns 105 Stunden * 42 Euro pro Stunde. Ich bin mir ziemlich sicher, wir würden nicht viele dieser 4.410 Euro Jeans verkaufen (auf die Kalkulation der benötigten Materialien habe ich mal großzügig verzichtet).
…und da wird sich bei uns beschwert, dass wir für Hosen im Schnitt 12 Stunden benötigen. Okay… Wir sind Handwerker – wir machen eben Kleidung und keine Kunst 🙂