Informationsdefizit
Es ist verblüffend, wie oft ich es erlebe, dass Interessenten auf uns zu kommen und… ich weiß gar nicht, wie ich das in einem Satz umschreiben soll. Vielleicht ist der Kern der Sache: wie wenig die Arbeit bekannt ist, die ein Schneider leistet.
Es fängt damit an, dass viele Menschen keine Stoffqualitäten kennen, da wird Polyester Taft schon mal für was „ganz tolles“ gehalten, aber auch nicht „erfühlen“ können, ob ein Stoff für ein Unterfangen geeignet ist. Eine Dame wollte, dass wir ihr aus Futter ein Kleid nähen – ungefüttert natürlich.
Dank C&A, Takko und Co. sind die meisten Leute an Preise gewöhnt, die – alleine beim Material – völlig unerreichbar sind. Dass dies daran liegen könnte, dass man in solchen Läden auch keine Qualität bekommt, ist allerdings für manchen ein schwerer Gedankengang 🙂
Dann gibt es Menschen, die etwas von uns gearbeitet haben möchten, und um Geld zu sparen bekommen wir die Information: „Das muss ja nicht schön sein!“. Sollen wir ernsthaft pfuschen? Ist der halbe Preis für eine Sache, wenn sie dann nicht taugt, nicht immer noch zu hoch?
Gut, wir wurden letztens auch völlig ungläubig angestarrt, als ich um die Post oder E-Mail Adresse zur Übersendung des Angebots bat. „Machen Sie das immer so?“. Besonders lustig, dass just jene Dame ein paar Tage später anrief, höchst erregt, und uns klar machte, sie werde sich für den Auftrag „Profis“ suchen, die das schneller machen können. Jaja…
Mädchen, die Lehre bei uns machen wollen, sind völlig entsetzt, dass wir nicht im „Designer-Himmel schweben“ sondern arbeiten. Die meist der „kreativ veranlagten Damen“ sind völlig überfordert, wenn sie mitbekommen, wie viel gerechnet wird, wie viel Physik und geometrisches Wissen in unserer Arbeit liegt.
Wahrscheinlich bin ich einfach ungerecht. Meine Oma war schon Schneiderin und ich bin bereits im Vorschulalter mit Oma in München zum Kübler gegangen. Damals noch in der Kaufinger Straße zu finden, über drei Stockwerke voll mit den schönsten Stoffen und Tuchen, die man sich vorstellen kann! Ich habe also sehr viel Wissen auf diesem Gebiet en passent in jüngsten Jahren mitbekommen.
Dennoch überrascht es mich immer wieder, wie sehr Konfektion und Mode dazu geführt haben, dass gute Garderobe in Vergessenheit geraten ist. Schade.
Unser Beruf ist so vielfältig. Jeden Tag stehe ich vor neuen Herausforderungen, sei es auf Seiten des Materials, des Schnittes oder der Verarbeitung. Die Idee, wer nichts weiter kann, sollte Schneiderin werden, geht nicht auf. Was der Statiker am Bau ist, sind wir in Sachen Garderobe. Leider wissen davon die wenigsten. Für viele sind wir nur die Milch, die aus dem Tetra Pack kommt.