Große Größen – Teil 2
Natürlich können große Größen auch einfach „große Größen“ sein – also Größen, die einen gewissen Umfang erfordern. Das Problem bei „viel Frau“ ist das Zusammenspiel aus Bequemlichkeit und Proportion. Ich habe vor einigen Jahren mal ein saucooles Outfit von Dior für Carina nach gearbeitet. Dabei muss man aber wissen, dass Carina zu den Frauen gehört, die gerne und viel Korsett tragen. Für sie ist es überhaupt kein Problem ihre Garderobe „zu spüren“.
Dank der Konfektion sind die meisten Menschen aber dazu erzogen, dass alles „bequem“ sein muss. Übrigens ist bequem nicht gleich zu setzen mit „beweglich“. Bestes Beispiel ist da der Ärmel. Jetzt mag die Vorstellung eines tiefen Armlochs total bequem klingen. Doch halten Sie mal an Ihrer Jacke den Ärmel auf Höhe des Ellebogens und die die Jacke auf etwa gleicher Höhe fest. Das wäre ja ein tiefes Armloch. Aha?!? Der Arm lässt sich gar nicht mehr gut heben, oder? Beweglicher ist meist die Kleidung, die schmal am Körper liegt.
Natürlich kann man Bequemlichkeit durch Weite plus Elasthan erreichen. Das sieht halt dann auch schon mal nach Sack aus. Gleichzeitig ist nichts schlimmer als ein zu enges Kleidungsstck – gar nicht wegen des Tragegefühls, vor allem wegen der Optik. Sichtbar zu enge Klamotten machen nicht schlank, sondern sie schreien: „Meine Trägerin ist zu dick für mich!“ Mädels, macht das einfach nicht. Es sieht billig aus.
Nun kam Hasene zu uns ins Atelier. Die lebenslustige, immer lachende junge Frau hat einen super Blick für die Garderobe, die ihr steht. Und sie klagte arg über das Angebot der Konfektion. Es sei sehr schwer Klamotten zu bekommen, die nach was aussehen, einigermaßen passen und nicht völlig langweilig sind.
Sie war auf eine Hochzeit eingeladen und wusste eigentlich ganz genau, was sie gerne hätte. Der Gegensatz zu vielen Kundinnen, die zu uns kommen und das Gespräch mit dem Satz „Ich brauche etwas zum Anziehen!“ eröffenen und bei denen im besten Fall klar ist, ob es Hose oder Kleid werden darf 🙂 – wobei auch diese Aufgaben ihren Reiz haben!
Hasene jedenfalls brachte gleich einige Oberteile und Röcke mit und beschrieb mir, wie das ganze aussehen sollte. Sie hatte sogar in einem Stoffladen einen Stoff gesehen, auf dem das ganze Outfit aufbauen sollte: eine schwarz/blau gemusterte Kunstfaser. Ein Doppelgewebe, das auch kräftig genug war um einen Rock abzugeben. – Auch so eine Sache: zu lappige Stoffe als Röcke oder Hosen wirken nie vorteilhaft…
Binnen einer halben Stunde hatten wir eine Zeichnung erarbeitet, die Rock und Oberteil genauso wiedergaben, wie Hasene sich das wünschte, inklusive der Bestickung am Ausschnitt des Oberteils.
Sie bekam also aus ihrem Doppelgewebe einen schmalen, knielangen Rock, den wir mit blauem Georgette, der seitlich geschlitzt war, zum Boden verlängerten. Das Oberteil nahm die Farben schwarz und blau, des Rock-Stoffes auf. In zwei Lagen fand sich hier der Georgette wieder. Der Ausschnitt sollte auch nicht einfach nur rund sein, sondern bekam eine halb eckige, halb runde Form. Um den Ausschnitt stickten wir schwarze Stabperlen und machten aus den Stabperlen auch noch Fransen, die mit jeweils einer großen Perle endeten. Die Ärmel wurden geschlitzt und bekamen so eine Perle und eine Schlaufe angenäht, dass Hasene die Tromptene-Ärmel mit Hilfe dieser Konstruktion krempeln kann.
Nach der Hochzeit schickte sie uns einige Fotos, auf denen Hasene in ihrem Outift zu sehen ist. Manche unserer Kunden möchten nicht im Netz zu erkennen sein – was nachvollziehbar ist. Also bitte nicht denken, wir wären zu doof zu fotografieren 🙂