Ein Tuch – ein Kleid
Gerlind hatte bei Roeckl ein wunderschönes Seidentuch erstanden. 150 auf 150 Zentimeter maß das Prachtstück. Doch sie meinte, sie würde es als Schal einfach zu selten tragen. Als Tuch war es ihr zu groß und unter eine Jacke geknüllt käme die Schönheit des Druckes gar nicht zur Geltung.
Obendrein ist das Tuch schon von der Webung her nicht alltäglich: In etwa fünf Zentimeter breiten Streifen wechselt sich Satin mit Chiffon ab. Also ist der Stoff auch noch partiell transparent.
Ein Kleid sollte aus dem Tuch werden.
Der Druck und die Größe des Tuches gaben uns viel zu tüfteln: Wie bekommt man die opulente Kante am besten in Szene gesetzt? Wie arbeitet man das Kleid, dass der Stoff überhaupt ausreicht?
Außerdem hat Gerlind bei ihren Aufträgen immer eine ganz klare Vorgabe: Symmetrie. So entfiel leider meine erste Idee, das Kleid einfach seitwärts „offen“ zu lassen. Das hätte ja nicht zu Nacktheit geführt, denn durch die Chiffonstreifen waren wir eh gezwungen mit einem Unterstoff zu arbeiten.
Nein, der Print, der die Mitte des Tuches bildete, sollte auch in der hinteren Mitte zu finden sein und die beiden schmuckvollen Kanten eben von der vorderen Mitte gleichmäßig entfernt. So entstand aber eine Lücke von gut 20 Zentimetern.
Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Da haben sich die blankliegenden Nerven beim Zuschnitt gelohnt 🙂
Wenn ich weiß, dass das Material unwiederbringlich ist, ist das Zuschneiden auch im zwanzigsten Schneidersjahr noch ein Krimi.