Ein klassischer Hosenanzug

Wir haben immer wieder Herren, die ihren Angetrauten bzw. Partnerinnen zu Weihnachten ein Outfit von uns schenken. Christiane und Jens waren im Sommer 2015 das erste Mal bei uns im Atelier. Monika, eine liebe Kundin, hatte die beiden zu „Sekt & Starters“ – unserer kleinen „Schlossgartenfest-Vorfeier“ – mitgebracht.

Im Winter 2016 bekam ich eine E-Mail von Jens, mit der Frage, was denn ein Hosenanzug in etwa kosten würde. Da ich nicht wusste, was für einen Hosenanzug Jens für Christiane gerne hätte – einen klassisch-handwerklich verarbeiteten oder lieber einen, der auch in die Waschmaschine kann – gab es erst mal ein Beispielsangebot für beide Verarbeitungsvarianten.

Ja, das ist ein ganz schöner Unterschied: Für eine lose verarbeitete Kostümjacke benötigen wir knapp 40 Stunden. Eine Hose mit „Herrenverarbeitung“ und selbstgemachtem Innenbund braucht auch Ihre 20 Stunden. So liegt der Werklohn also schon bei über € 3.000,00. Dazu kommen 3,5 Meter Oberstoff, Futter, Einlagen – das Roßhaar nicht zu vergessen… Summa summarum liegt so ein richtig schön gearbeiteter Hosenanzug, mit anständigem Stoff bei rund € 4.000,00.
Die Alternative ist ein Hosenanzug zum Beispiel aus Romanit-Jersey. Anstelle der losen Verarbeitung, wird in die Fronten Gewebeeinlage eingebügelt. Das geht natürlich schneller. Der Romanit-Jersey ist ist nicht unbedingt der Stoff, in dem ich Frankfurter Taschen arbeiten möchte. Zudem sind Taschen zeitaufwendig. Bei der günstigen Variante wird also auch auf Taschen verzichtet und der geknöpfte Ärmelschlitz weicht einem Schlitzerl, das aneinander geht und man bei Bedarf hoch schlagen kann. Somit brauchen wir dann nur 16 Stunden für die Jacke.
Bei der Hose rutscht der Reißverschluss in die linke Seitennaht und anstelle eines aufgesetzten Hosenbundes, wird ein Beleg nach innen verstürzt. Es entsteht eine ganz andere Anmutung, als die
vorher beschriebene Variante. Doch sind wir so deutlich schneller: Die Hose verlangt nun lediglich acht Stunden. Wir sind also um mehr als die Hälfte schneller. Hinzu kommt, das Romanit-Jersey deutlich günstiger ist, als eine schöne hochwertige Wolle. So liegt der Hosenanzug nun unter € 1.700,00.

Für mich sehr spannend: Unsere Kunden argumentieren alle gleich. „Wenn ich mir schon einen Hosenanzug machen lasse, dann gleich richtig!“ Und so entschieden sich auch Christiane und Jens für die ganz klassische Verarbeitung.

Christiane wünschte sich einen schwarzen Hosenanzug. Ich persönlich bin nicht so der Schwarz-Fan, weiß aber auch, dass es Menschen gibt, denen schwarz ausgezeichnet steht und für die einfach nichts anderes in Frage kommt. Was uns allen sehr viel Freude machte – Kundenseite wie wir, die es nähen durften: Niemand wollte, dass der Hosenanzug auch innen schwarz ist: Christiane entschied sich für eine Seide, die mit einem Blumenstilleben bemalt war.

Leider habe ich nur zwei Bilder des ganzen Werkes. Mein Mobiltelefon tut sich auch immer recht schwer schwarz zu fotografieren, vor allem, wenn es im Kontrast zu hellen Farben steht. Wahlweise frisst mir das Weiß aus oder das Schwarz ist so sumpfig, dass man gar nichts mehr erkennt. Ich hätte gerne mehr von diesem wunderschönen Ensemble gezeigt.

Wenn Sie sich nun fragen, ob es sich lohnt so viel Geld für einen Hosenanzug auszugeben, möchte ich Ihnen das so beantworten: Dieser Hosenanzug wird Christiane sicher fünf, wahrscheinlich zehn und vielleicht sogar 15 Jahre gute Dienste leisten. Christiane ist sehr glücklich, dass sie eine Jacke bekommen hat, die ihr wirklich passt. Und ich darf sagen, dass Christiane immer gut angezogen ist. Sprich, sie sucht sich auch von der Stange Stücke, die ihr gut passen. Doch das Gefühl, wenn ein Kleidungsstück auf jemanden maßgefertigt wurde ist einfach noch einmal ein anderes.
Im Gegensatz zu einem „Stangen-Hosenanzug“ hat Christiane immer einen Ansprechpartner, sollte der Hosenanzug mal nicht das tun, was sie sich wünscht. Wir könnten sogar, wenn ein Unfall passiert und der Stoff verletzt wird, ein Teil austauschen – denn natürlich haben wir die Stoffreste nicht weggeworfen, sondern Christiane zur Verwahrung mit gegeben.

Wenn wir für unsere Lieblingskunden etwas anfertigen, hängt da immer ein Stück unseres Herzens dran. Jedes Stück hat auch eine Geschichte. Durch die Kleidung, in die unser Herzblut fließt und durch die gemeinsamen Anproben, in denen wir mit unseren Kunden die Stücke erarbeiten, ergeben sich Verbindungen zwischen Klamotte, Schneider und Kunden.
Ich glaube, maßgeschneiderte Garderobe wird mit mehr Bewusstsein getragen, als Stangen-Garderobe. Ich kann in diesem Punkt nur für mich sprechen, doch ich freue mich jeden Morgen, wenn ich in eines meiner Kleider schlüpfe und mich zwangsläufig an deren Entstehungsprozess erinnere. Und diese Geschichte verbindet.
Alleine darum rentiert sich Maßanfertigung. Man gönnt sich das nicht nur in diesem einen Moment. Christiane gönnt es sich jedes Mal, wenn sie in den Hosenanzug schlüpft.