Die Knopfloch-Odysse Teil 1 – Die Jacke aka 9 Knopflöcher
Am Anfang stand wie so oft der Stoff. Flaschengrün mit orange-beigem Gitterkaro, Wolle, Flannel. Flaschengrün, kariert und Flanelli? Meiner! Die Form der Jacke war dann auch schnell gefunden, ich wollte schon lange einen Blazer mit Spitzfacon, dann kamen noch klassische Leistentaschen im Vorderteil und geknöpfte Ärmelschlitze dazu (Hier schon mal 6 Handknopflöcher). Weitere 3 Handknopflöcher dienen zum Schließen der Jacke. Abgefüttert habe ich mit einem Seidensatin und ich habe hübsche, silberne Knöpfe in Schleifenform gefunden. Als Taschenfutter habe ich in Jacke und Hose eine Baumwolle mit „Schneiderdruck“ verwendet, beigegründig mit Nähmaschinen, Stecknadeln, Knöpfchen und anderen Utensilien.
Schon beim Schnitt und Zuschnitt ergab sich die erste Challenge, klar, das Karo. Man darf hier natürlich nicht einfach den Schnitt auflegen und los geht’s, man muss sich nach dem Muster richten. Heißt, schon bei der Schnitterstellung sollte man im Hinterkopf haben, dass alles was rechtwinklig ist, nachher schöner aussieht, oder dass die Seitennähte die gleichen Rundungen haben sollten, dass die Längsstreifen des Karos auf beiden Teilen gleich zur Naht verlaufen können.
Beim Zuschnitt heißt es nun: genau sein! Das gilt natürlich immer, aber bei Karo ist es noch wichtiger. So schneidet man immer nur eine Lage zu, nimmt dann das Stoffteil ab und steckt es mustergerecht, rechts auf rechts nochmals auf und schneidet das zweite Teil zu. Dann habe ich noch eine Spezialität eingebaut, und meine Leistentasche parallel zum Karo des Seitenteils gelegt. 🙂 Bei den Ärmeln ist es fast ein Muss, dass der Querstreifen auf Dekolleté-Höhe in den Ärmel weiterläuft. Sie sehen schon, ganz schön viel an was man da jetzt schon denken muss, und es ist noch kein Stich genäht!
Die Jacke habe ich dann, wie es sich für einen Maßschneider, vor allem wenn er an einem Wettbewerb teilnimmt, gehört, auf Rosshaar gearbeitet. Also nichts geklebt, sondern alles per Hand angeschlagen, pikiert, staffiert und in Form gebracht. Form! Gutes Stichwort! Vielleicht gehe ich kurz darauf ein, warum ich so ein Verfechter der losen Verarbeitung mit Rosshaar bin. Zum einen kann sich die Einlage nicht stellenweise lösen und hässliche Blasen bilden, zum anderen erhält man ein Kleidungsstück, das nicht nur formstabil, sondern auch formschön ist. Das Rosshaar ermöglicht es zum Beispiel, die Brust schön „3-dimensional“ einzuarbeiten und nicht platt aussehen zu lassen, außerdem liegen ein pikiertes Revers und Kragen einfach wunderbar schön rund und das auf ewig. 🙂 Wie sagt Susanne immer?: „Da fährt Ihnen der LKW drüber, sie heben Ihre Jacke auf, schütteln sie kurz und es ist, als wäre nichts gewesen.“ Auch hier muss wieder das Karo im Hinterkopf behalten werden, denn dass Rosshaar bestimmt zum Beispiel später die vordere Kante, und die sollte ja schon parallel zu den Längsstreifen verlaufen, da muss man den Stoff also manchmal schon etwas zwingen, dass er dahin geht, wo man ihn haben will.
Wenn dann das Rosshaar drin ist, läuft es erstmal. Erst ein bisschen dressieren, dann viele Quernadeln stecken und nähen. Geduld ist dann beim Revers und Kragen verstürzen wichtig, das ist auch ein bisschen futzelig, aber wenn man genau arbeitet und gut steckt geht das. So richtig tricky wird es für mich dann erst wieder beim Ärmeleinsetzen. Jetzt ist Erfahrung, Talent und ein guter Blick gefragt. Aber mit ein bisschen Feingefühl sitzt dann auch endlich der Ärmel, natürlich mustergerecht. Ab jetzt sind „nur“ noch Handarbeiten zu tun, also Schulterpolster und Fisch einnähen um den Fall des Ärmels zu perfektionieren, dann das Futter schließen und dann (endlich?!) Knopflöcher. Für jedes Knopfloch wird erst ein kleines Kästchen mit der Maschine vorgesteppt, dann wird ein Loch geknipst und eingeschnitten. Die ersten 6 nähen sich vielleicht noch ganz gut aus der Hand, bei den nächsten 3 wird’s schon etwas unangenehm. Und dann hatte ich erst die Jacke fertig. Dann waren da ja noch Hose und Bluse. Aber das ist eine andere Geschichte…